Sonntag, 22. Dezember 2013: Wüsten-Fotopirsch, Sandspiele und Regen…

Gegen 6 Uhr hört man die Beduinenkinder so, wie gestern Abend: leise kichernd und singend. Gegen 6:40 Uhr fährt der Pickup sie in die Schule. Früher gab es laut Wasur im ganzen Land nur EINE einzige Schule – in Muscat. Das bedeutete für Kinder ganz im Süden theoretisch einen 1000 km langen Schulweg. Heftig. Die Sonne will heute irgendwie nicht aufgehen. Ich verlasse das Gehöft/Lager und versuche mich an der nächsten etwa 20 m hohen Düne. Das ist jetzt nicht so einfach da hoch zu kommen. Vielleicht sollte ich die Sandalen ausziehen. Hat der Lawrence auch gemacht. Oben angekommen versperrt die nächste Düne den Blick auf die Wüste. Auch die erklimme ich noch. Und dann noch eine und schließlich kann ich in die Ferne schauen – ein grandioser Anblick! Leider ist gerade heute der Himmel verhangen, die Sonne steckt hinter Wolken, will nicht über der Wüste erscheinen, scheinen. Nur ein paar Strahlen dringen durch. Schade. Ich sitze im noch angenehm kalten Sand und warte und warte und warte… Es ist verdammt ruhig, aber nicht völlig lautlos. Nach einiger Zeit kreisen zwei Vögel über mir. Dabei krächzen sie sich was zu. Es sind allerdings keine Geier. Und noch sehe ich sehr lebendig aus! Den Grund sehe ich ein paar Meter weiter: ein totes Huhn. Vermutlich aus Wasurs Bestand. Seine Tiere lagern etwas außerhalb seines Gehöfts. Die Familie hat auch 7 Dromedare. Einen Ritt auf einem davon lehnte ich schon gestern ab, weil ich das für albernen Touri-Mist halte. Zudem auch noch grottenlangweilig.

Ich mache ein paar Effekt-heischende Videoaufnahmen mit FXGURU. Die Kulisse bietet sich einfach an. Erst lasse ich die drei Rentiere in der Wüste tanzen, dann den Sandriesen aus dem Sand auftauchen und dann noch eine Drohne was abwerfen und einen Hubschrauber abstürzen. Final erscheint ein Atompilz in der Ferne. J Was will man auch so lange machen, wenn die Sonne nicht zum Fotografieren heraus kommen mag? Ja richtig, in sich gehen, alles auf sich OM-artig wirken lassen, glücklich sein. Nebenbei kann ich aber trotzdem VideoClips rendern. J Irgendwann gebe ich auf, die gelbe Sau kommt nicht heraus. Ich kehre zurück und bekomme genau dasselbe zu essen wie gestern Abend. Den Kaffee heute jedoch nicht aus winzigen Schälchen, sondern einer winzigen Tasse. Wasur sitzt neben mir, seine Frau vor mir. Sie trägt so eine für den Oman typische Kopfverschleierung, die einer venezianischen Maske ähnelt. Man sieht die Augen, dann darunter wieder Stoff und dann am Mund wieder alles frei. Es gesellen sich noch die 2 großen Mädchen dazu. Infolgedessen sind nur die 3 großen Jungs in der Schule. Die kleine Fatma klebt sowieso immer an ihrer Mutter. Sele, der kleinste Junge kommt auch noch zappelig dazu. Und alle schauen sie zu, wie ich mir das Fladenbrot mit Joghurt bestreiche und in den Mund schiebe. Die Reste davon verfüttert Wasur an den Zappel-Sele.

Wasur fragt, ob ich Lust hätte, mit ihm und seinem Pickup eine Stunde lang durch die Dünen zu brettern. Natürlich nicht umsonst. Ich überlege hin und her und irgendwann sage ich einfach mal: Yes, we do it. Dann wird mir noch verschiedenes Kunsthandwerk angeboten, welches die Frauen des Hauses angefertigt haben. Ich brauche aber weder Schlüsselanhänger, Handyhüllen oder Miniteppiche und lehne dankend ab. Ich verabschiede mich von allen per Handschlag, wünsche ihnen alles Gute. Wir transportieren erst meine Sachen zu meinem Auto, das seltsamerweise noch aus dem Sand herausschaut, faktisch noch so dasteht, wie gestern Nacht verlassen. Dann lässt Wasur Luft aus seinen Reifen ab und es geht los. Erst einmal 20 m parallel zur Piste durch tiefen Sand. Vorbei an den Dromedar-Gehegen des Nachbarn. Dann erreichen wir ein richtiges Touristencamp. Es stellt sich heraus, dass es das ist, was ich letzte Nacht gesucht hatte. Wir fahren die Düne hoch, steigen aus und kehren beim Statthalter des Camps, einem sympathischen Mann um die 30 aus Bangladesch, ein. Wieder gibt es Kaffee und Datteln. Das Lager scheint komplett leer zu sein. Der Verwalter zeigt mir das Innenleben der schwarzen Zelte: meist stehen da Feldbetten mit kunterbunten Decken bestückt herum. Das erinnert mich an die Ferienlager meiner Kindheit, nur einen Tick exotischer, hier. Nach der kleinen Werbetour verabschieden wir uns und fahren weiter.

Jetzt lenkt Wasur seinen Pickup langsam hoch in die Dünen. Er ist ein verdammt geschickter Fahrer. Ich merke, dass man so etwas unbedingt erst einmal trainieren muss. Hier in der Nähe gibt es auch ein Camp, wo man das machen kann. Es macht Spaß über die Dünen zu surfen. Wenn man dann oben steht, es fast senkrecht herunter geht, denkt man: „Ach Du Ginsterkatze! Da runter?“ Wasur fragt beim ersten Mal, ob ich damit ein Problem habe. Ich sage ich hätte eins, wenn er da jetzt nicht runter fährt, was gleichzeitig bedeutet, dass ich ihm und seinen Fahrkünsten blind vertraue. Vier dieser Kamikaze-Abwärts-Fahrten sind drin, dann sind wir wieder fast unten. Wieder habe ich etwas zur Ernährung von Wasurs stattlicher Familie beigetragen, bereue die einstündige Spritztour aber keineswegs.

Zurück an meinem Auto fragt er mich, ob ich die 10 Meter bis zur Piste durch den tiefen Sand zurück schaffe. Da ich das gestern auch selbst herwärts geschafft habe, sage ich: No Problem. Kaum ist Wasur über die Düne verschwunden, bleibe ich pronto im Sand stecken, Ich bin viel zu zaghaft losgefahren. Herwärts hatte ich gestern noch den Schwung der halbwegs befestigten Piste gehabt. So ein Mist, ich will doch heute im Golf von Oman ein wenig herum plantschen! Ich laufe hoch zum Gehöft meiner Gastgeber. Die sind alle ausgeflogen. Nur eine asiatische Haushalthilfe ist da und die kann mir auch nicht helfen. Zurück am Auto versuche ich es erst mal mit dem Ausbuddeln der Räder. Immer rutscht wieder Sand nach. Dann packe ich ein paar Steine drunter.

Als ich gerade losfahren will, kommt ein Toyota Land Cruiser des Weges. Ein Omani und sein asiatischer Kuli sitzen drin. Der Araber steigt aus, buddelt mit mir zusammen noch ein wenig herum, setzt sich ins Auto und versucht es heraus zu fahren. Er bekommt es genauso wenig hin. Nach zwei weiteren Versuchen zückt er zwei Streichhölzer. Wie lassen auf den vorderen Rädern die Luft etwas ab. Aber auch damit gelingt die Befreiung meines Autos nicht. Der Mann verspricht in 10 min mit Hilfe zurück zu kommen. Ich buddele weiter, versuche es selbst noch einmal. In der Ferne fährt ein Pick-up vorbei, aber es ist nicht Wasur. Hier haben sie scheinbar alle die gleichen Toyota Pick-ups in Braun mit Verzierung. Ich sehe jetzt schon den vierten dieses Typs vorbeifahren. Dieser kommt aber herangeprescht, ein Araber steigt aus, von dem ich denke, dass ich ihn kenne. Der kam oft im TV. Bis sie ihn erschossen haben. Der Mann vor mir könnte mit Leichtigkeit jeden Osama bin Laden – Look-a-like-Wettbewerb gewinnen. Er lächelt, holt ein Seil hervor und gemeinsam befestigen wir es am Heck meines Autos.

Wenig später stehe ich wieder auf der Piste, danke dem guten Mann auf das Herzlichste und fahre zurück. Und oh Wunder, alles, was der Reiseführer beschrieb, findet sich bei Tage an: das wehrhafte Steinhaus eines hier in der Gegend einflussreichen Scheichs und gleich danach das beschriebene kleine Fort. Zehn Minuten später bin ich an der Tankstelle oben am Wüsten-Highway. Natürlich geht die Luftpumpe der Tankstelle nicht. Die Zapfsäulenbedienung schickt mich auf die gegenüber liegende Straßenseite. Hier gibt es eine kleine Reifenwerkstatt. Nach 10 Minuten kommt der Fachmann, ein Inder aus Kerala. Er findet auf Anhieb die Luftdrucktabelle an meinem nagelneuen KIA-Modell und prüft gleich noch die Hinterräder. Die 120 km bis Sur, welches am Golf von Oman liegt, fahre ich durch. Diese Stadt war einmal berühmt für ihre Dhau-Werften. In einer Bucht sehe ich zwei herum dümpeln. Die Stadt ist nichts Besonderes. 

Ich drehe wenig später ab in Richtung Muscat auf die Küstenautobahn. Ich möchte nach Ash Shab. Das hatte mir Schamal empfohlen. Allerdings ist der Himmel wolkenverhangen, es regnet immer wieder mal und die See ist ziemlich rau. Ich befürchte, da fliegt mir mein Zelt weg. In Ash Shab angekommen, finde ich nur den Zugang zum Wadi, der direkt unter der Autobahnbrücke liegt. Mit kleinen Motorbooten kann man sich da für 40 Cent übersetzten lassen und in den Wadi hineinwandern. Das hat er bestimmt nicht gemeint. Ich finde die Bucht aber nicht und es regnet schon wieder.

Ich stelle auch fest, dass heute ja schon Sonntag ist und ich da eigentlich in Muscat sein wollte, um die restlichen knapp zwei Tage die Hauptstadt und ihr Umfeld zu erkunden. Ich buche auf halber Strecke ein Hotel in Muscat via booking.com. Das gewählte Hotel bekomme ich dann auch noch für zwei Nächte zum Preis von einer Nacht. Das klingt gut, es liegt draußen in Ruwi, einem Ortsteil von Muscat. Ich finde es bloß nicht. Weder auf der Karte, noch in der NaviApp. Ich weiß nur den Viertelnamen, das Navi kann damit nichts anfangen. Ich frage mich durch, meist gerate ich an Inder. Da die aber immer helfen wollen, sagen sie dann auch meist irgendwas, nur um sich nicht die Blöße zu geben, das sie keinen blassen Schimmer von der Lage des Hotels haben. 

Also schickt mich der eine dahin, der andere voller Überzeugung in die Gegenrichtung. Irgendwann habe ich die Nase voll. Ich rufe das Hotel an, der Rezeptionist kann mir aber auch nicht helfen, weil er mit meiner Positionsangabe nichts anzufangen weiß. Ich mache jetzt Jagd auf frei herumlaufende Taxifahrer. Ich überzeuge einen, mich dahin zu lotsen. Er schafft es aber auch nicht, fragt zweimal bei mir nach. Schließlich rufe ich das Hotel erneut an und gebe dem Taxifahrer mein Smartphone. Der lässt sich instruieren, weiß jetzt wo es lang gehen muss. Nach 7 Minuten stehen wir endlich am Hotel! Fast 2,5 Stunden hat mich das gekostet. Aber so lernt man die Muscat’sche Rushhour und den Fahrstil der verschiedenen Nationalitäten kennen. Ich dachte zeitweise, das Auto wird doch noch verbeult. Todmüde checke ich ein und falle ins Bett.


Einfach nur wunderschön.

Lawrence? ;)

Dead Chicken...
 

Der Sandmann...

WüstenCamp

Die Sonne, die sich nicht traut...



Das leere TouristenCamp...


Wasur

KIA-Sandfräse


Sur

Sur


Wadi Ash Shab

Wadi Ash Shab




Der (weibliche) Widerstand von Wadi Ash Shab ?

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