In diesen Breitengraden, wo es vor 10 Uhr am kühlsten
ist, da würde ich diese Zeit auch für notwendige Arbeiten nutzen. ABER NICHT UM 7 UHR MIT EINEM PRESSLUFTHAMMER! Beschwerden helfen nichts, aber extrem
gezippte Ohropaxe in meinen Ohren. Zumindest ein wenig. Gerade heute wollte ich
etwas länger schlafen. Zudem fehlt mir auch der rechte Antrieb aufzustehen. Ich
habe vor Fernreisen NIE einen festen Plan, was ich im Reiseland machen oder
sehen will. Maximal weiß ich grob über ein paar interessante Landstriche,
Sehenswürdigkeiten, Flüsse oder mögliche kleine Miniabenteuer Bescheid. Konkret
war das für den Oman eigentlich nur der Wadi Bani Khalid, an dessen Ausgang
eine Oase mit immer vorhandenem Wasser und ein paar Naturpools liegt und der
Tiermarkt in Nizwa. Also heute auf in diese Oase! Dachte ich mir und checkte
langsam und behäbig aus dem kleinen Presslufthammer-Motel in Ibra aus. Da ich
zum Frühstück nicht schon wieder Indisch essen wollte, suche ich mir einen WüstenKonsum
und kaufe mir eine leckere Mango, zwei Bananen, ein paar Cookies und einen
Liter Milch. Irgendwie ist der Oman genau wie ich voll auf dem Mango-Trip: Man
bekommt hier eher Mango- als Orangensaft. Langsam droht aber der
Mango-Overkill.
Bis zum Wadi sind es knapp 85 km. Irgendwo in der Einöde
steht eine Tankstelle, zwei Coffee-Shops, zwei ATM, ein Schneider- und ein
Barbierladen. Im Coffee-Shop lasse ich mir einen großen Pappbecher voll Kaffee
brauen, denn ich bin immer noch müde. Wie überall im Lande scheinen Asiaten die
ganze Arbeit zu erledigen. Meist Inder, Pakistani und sehr viele Leute aus
Bangladesch. Hier hat sogar der einfache Wadi-Berg-Bewohner einen eigenen
asiatischen Kuli für die schwere Arbeit. Ich denke das Land würde
zusammenbrechen, wenn die Asiaten mal einen Aufstand für bessere Lebens- und
Arbeitsbedingungen machen würden. Von der Wertschätzung der Einheimischen ganz
abgesehen. Ich habe oft erlebt, wie sie z.B. im Hotelgewerbe asiatische
Arbeitnehmer zusammengefaltet wurden, obwohl sie die Arbeit meist besser
beherrschten, als ihre omanischen Chefs, die vermutlich wie in Abu Dhabi oder
Dubai manchmal nur für wenige Stunden anwesend sind. In dieser Einöde hier, vor
dem Coffee-Shop meinen schwarzen Sud schlürfend, sehe ich gerade einen Omani in
einem älteren Lexus vorfahren. Er steigt nicht etwa aus, wie die zwei Omanis
vorhin. Nein, er hupt laut, bis die indische Bedienung zu ihm herauskommt und
er seine Bestellung aufgibt. Leute gibt’s hier…
Ich steige in meinen koreanischen Straßenkreuzer ein und fahre
nonstop die restlichen 600, nein 60 km durch. Um in das Wadi Bani Khalid zu
kommen, muss man erst ein Stück in die Berge. Gottseidank gibt es hier eine
Asphaltstraße, also keine Gefahr für mein Gefährt. Ich fahre bis zum Parkplatz
vor dem Wadi. Einen richtigen Zugang gibt es nicht, man läuft am besten auf den
Einfassungen eines Wasserkanals, der vom Wadi zum Dorf führt oder daneben.
Heute ist auch noch Wochenende, also Einiges los. Arabische Familien und asiatische
Gastarbeiter sind zahlreich vertreten, vereinzelt auch ein paar westliche
Touristen. Alles in allem etwa so 60-70 Besucher. Im größten Naturpool gleich
am Eingang hat man auf zwei Felsblöcken Unterstände gebaut, links gibt es ein
kleines Restaurant.
Das hier ist also schon ziemlich touristisch. Ich gehe auf
die linke Seite, klettere einen Felsen herunter und lege meinen Fotoapparat in
eine Felsspalte, gehe koscher mit Badehose und T-Shirt eine Runde im grünlichen
Wasser mit Unmengen von kleinen Fischen zusammen schwimmen. Das Wasser ist sehr
warm, ich hätte mit mehr Erfrischung gerechnet. Eine Brücke aus Eisen zwischen
beiden Seiten des Pools bzw. Kanals muss einer der letzten Regenzeiten zum
Opfer gefallen sein, wenn das Wasser brachial aus den Bergen den Wadi herunter
donnert. Sie liegt wie von Riesenhand gefaltet an einer Seite des Kanals. Ich
möchte in den Wadi ein Stück hinein wandern. Also zurück zum Auto, ein paar
Sachen holen. Ich gehe dieses Mal rechts durch die Palmenhaine direkt auf einem
dort verlaufenden anderen Bewässerungskanal, der an einigen einfachen
Steinhäusern vorbeiführt. Ab und an ist der Kanal auf einer Seite unterbrochen,
mit einem Stein verstopft. Damit werden dann vermutlich die überall herumstehenden
Palmen gewässert.
In Höhe des Parkplatzes suche ich mir einen Weg durch die
Palmen. Im Auto sitzend trinke ich einen Orangensaft auf Ex. Plötzlich tauchen
drei kleine etwas verwahrloste Jungs vor der offenen Fahrertür auf und sagen
Hallo. Keine Forderung. Sie sehen aber meinen kleinen geöffneten Kühlschrank
(Handschuhfach) und die Getränke da drin. Ok, dann bekommen sie eben die „gesunde“
Segnung des Westens ab – meine einzige Pepsi. Hoffentlich vergiften sie sich
nicht daran. ;) Der Größere von ihnen schnappt sich die Büchse, ich mache aber
noch klar, dass sie sich die Ami-Limonade teilen sollen. Das machen sie auch
gleich: es werden zwei gebrauchte Flaschen aus dem herumliegenden Abfall gegriffen
und brüderlich umgefüllt.
Die drei gehören zu den Müllsammlern, die die Oase um
die besuchten Pools sauber halten sollen. Sie fahren mit kleinen Schubkarren
durch die Gegend, in die sie dann den in Plastiktüten gesammelten Müll der
Besucher ablegen und ins Dorf karren. Vermutlich eine gute Idee, ich hoffe nur
es lohnt sich und sie müssen nicht den ganzen Tag schuften, können die Schule
besuchen. Einige benutzen die Schubkarren auch als Pausen“sessel“. Zwei alte
kleine Männer sah ich vorhin mit ihnen losziehen. Dem Kleinsten der drei Jungs
vor mir läuft pausenlos die Nase. Ich spendiere ein Tempo-Taschentuch. Die Drei
ziehen weiter, schauen neugierig in andere geparkte und verschlossene Autos
hinein. Ein größerer arabischer Junge verjagt sie laut schreiend. Zu mir sagt
er, das wäre „crazy boys“. Fand ich jetzt nicht.
Ich breche wieder auf in den Wadi. Die Sonne brennt jetzt
so richtig schön heiß. Die oberen Naturpools sind zwar kleiner, aber mit einem
Miniwasserfall in der Nähe auch schöner. Nur so besonders weit schwimmen kann man
in ihnen nicht. Irgendwo weiter hinten soll es eine Höhle geben. Die Felswände
links und rechts werden immer höher, die Besucher dafür immer weniger. Da fällt
mir unterhalb meines Felsens ein verwegener Typ auf: er sieht aus wie eine
Mischung aus Backpacker und „Mudschahedin“,
auf jeden Fall sehr arabisch und er hat Ausstrahlung. Da ich meine Kamera in
meinen Händen halte, dreht er sich um und sagt laut: „No photos!“ das hatte ich
auch nicht unbedingt vor.
Nach einiger Zeit hole ich ihn ein, frage ob
ich ihm behilflich sein kann, seinen Rucksack über den Bach zu wuchten, da er
Schuhe trägt
und ich Sandalen an habe. Nachdem wir das zusammen
bewerkstelligt haben, stellen wir fest, dass wir auf einer Insel hocken. Wir
stellen uns vor. Er ist wie ich aus Deutschland, kommt aber aus dem Irak und
ist Kurde. Zudem ist er auch noch Künstler und schon einen Monat hier im Oman
unterwegs. Wie mir gefällt ihm das Land ausnehmend gut, er ist allerdings auf
öffentliche Verkehrsmittel oder Trampen angewiesen. Dafür kann er arabisch.
Heute will er weiter hinten im Wadi übernachten. Ich finde ihn sehr sympathisch
und unser mindestens eine Stunde währendes Gespräch hinten vor der kleinen
unbeschilderten Höhle ist sehr erbaulich. Wir diskutieren über alles
Mögliche, also Politik, Religion, Deutschland, Kunst und über das Menschsein
und was es eigentlich ausmachen sollte. Schamal (sein Künstlername) wäre sicher
eine richtig gute und angenehme Reisebegleitung für ein Stück des Weges durch
den Oman für mich gewesen. Ich hätte ihn auch mitgenommen, aber er wollte hier
im Wadi bleiben und ich abends die Wahiba-Wüste erreichen, um dort in einem
Camp zu übernachten. Da er kaum noch omanisches Bargeld hat, gebe ich ihm meine
letzten 25 OMR und er mir die entsprechenden Euros dafür. Ich komme ja sehr
viel einfacher an einen ATM mit dem Auto heran, als er. Schamal ist die Sorte
Mensch, die ich auf meinen Reisen gern kennenlernen möchte. Wir verabschieden
uns und jeder zieht in eine andere Richtung des Wadis davon.
Nun wird es aber Zeit für mich, „ab in die
Wüste“ zu fahren, wie es der Titel meines Blogs verheißt. Allerdings ist der
ganze Oman eine Wüste, entweder aus Stein oder Sand. ;) Unterbrochen wird er von den Oasen, also den Städten und Dörfern. Eigentlich
wollte ich in der Höhe von Al Qabil mir ein Wüsten-Camp suchen, das hieße aber
wieder Richtung Ibra zurück zu fahren. Ich versuche es vorher in Al Mintirib.
Da soll es 20 km auf einer Piste in die Wüste gehen und zwei Camps geben. Die
kleine Stadt begrüßt mich mit geschäftigen Treiben vor und in den mit Neonreklame
beleuchteten kleinen Geschäften, die meist Asiaten betreiben. Nach der
Beschreibung des Reiseführers soll es ein wehrhaftes Steinhaus eines hier in
der Gegend einflussreichen Scheichs geben und dahinter kommt ein kleines Fort.
Dann links daran vorbei und irgendwo wenig später auf die Piste. All das finde
ich nicht. Ich verfahre mich in der Dunkelheit, treffe auf keine hilfreichen
Schilder und wenn sind die nur in Arabisch. Meine NaviApp befragen bringt in
solchen Gegenden gleich garnichts, da schweigt es vornehm. Plötzlich stehen
drei arabische Jungs vor meinem Auto, wollen, dass ich die Scheibe
herunterkurbele. Mache ich nicht, sitze gerade über der Landkarte und dem Navi
und habe keine Lust auf 0815-Konversation. Da reißt einer der Jungs, ein dicker
arabischer Klops meine Tür auf und erzählt mir im aggressiven Unterton was vom
Kamel.
Das kann ich auch. Ich werde etwas laut und
fahre sie polternd auf Deutsch an. Dann mache ich noch zwei Ausfallschritte auf
sie zu und sie rennen. Klappt fast immer, altes Rezept aus Reisezeiten in Mali.
Meinem Ziel bin ich aber immer noch nicht näher. Ich cruise weiter durch den
Ort, komme in ein anderes Dorf, lande in einer Sackgasse. Hinter mir stoppt ein
Pickup. Ein Einheimischer fragt, ob ich was zum Schlafen suche. Er könne mir
das bieten, nur 5 km von hier, bei sich zuhause. Er hat ein Camp. Ok, so etwas
suche ich. Ich folge ihm. Wir fahren in die Wüste raus, biegen dann von der
Schotterpiste ab in den Sand. Über 5 m Sand schaffe ich es noch, dann bleibt
der Pickup dort auf einem festen Sandstück stehen, der Beduine steigt aus und
sagt, ich solle in seinem Pickup umsteigen und mir die Unterkunft ansehen. Ok,
ich weiß, das der Oman ein sehr sicheres Land ist, ich habe zur Not
Pfefferspray und ein Walter-Messer dabei. Aber das ist sicher alles nicht
notwendig. ;) In
den Pickup kann ich leider nicht einsteigen, da sitzt des Beduinen Frau und
Kind. Also hinten
drauf auf die Ladefläche. Im
Stehen am Dach mich festhaltend geht es mit viel Schwung die Düne hinauf
(Film-reif), dann noch ein wenig weiter und wir bleiben vor dem Gehöft der
Familie stehen. Hier gibt es sogar Strom, ein paar Hütten mit Palmenblättern
verkleidet und abgedeckt, eine offene Küche, zwei Steinhäuser und eine kleine
gemauerte Moschee. Der Beduine heißt Wasur, seine Frau Ningieh (wenn ich das
richtig wiedergebe). Sie haben sieben Kinder – vier Jungen und drei Mädchen.
Schlafen soll ich in einem wohl für Gäste wie
mich gemachten Unterstand, der etwa 10 x 4 Meter groß ist, ein Holzskelett
besitzt und nach drei Seiten und von oben mit Palmenblättern verkleidet ist.
Ausgelegt ist alles mit Teppichen, an den Wänden die typischen Kissen für den
Rücken, wenn man auf dem Boden sitzt. Eine Seite ist offen, zumindest ein
Drittel davon. Es stehen auch noch zwei alte Couches herum. Hier soll ich also
schlafen. Ich nehme dann doch lieber meine bewährte Decke und meine
Luftmatratze. Dazu fährt mich der größte Sohn sehr geschickt die Düne herunter
zu meinem Auto und zurück. Ich lobe seine Fahrkünste. Wieder im Lager bekomme
ich arabischen Kaffee und Datteln von Ningieh, der Frau des Hauses, äh der
Zelte, des Gehöftes. Es
ist schon dunkel. Wasur zündet vor meiner Unterkunft ein Feuer an, wir setzen
uns in den Sand und versuchen uns in Konversation, was in Englisch halbwegs
geht und trinken arabischen Kaffee und Tee. Jetzt kommen auch die restlichen
Kinder, die der Vater mit dem Pickup aus Al Mintirib geholt hat.
Aiche (18) ist die Älteste, will Sprachen studieren und
in die Tourismusbranche gehen. Verheiratet ist sie auch schon, sonst gibt es
keinen Mann, also einen Freund haben wie bei uns ist nicht. Klar, wir sind hier
in einem muslimischen Land, das dennoch fortschrittlich ist. Ihr Freund
arbeitet in den Emiraten. Fatma, die Kleinste, vielleicht 3 Jahre ist total süß
und ein ziemlicher Draufgänger (ärgert immer ihre Brüder). Der Name der dritten
Tochter ist mir entfallen. Die Jungs heißen Mansur, Abdul, Sale und Mohamed.
Sale ist der Kleinste, der größte ist vielleicht so 14 Jahre alt. Der Vater und
zwei Kinder husten öfters. Wasur sagt, das wäre der Sand. Sale, der Kleinste,
ärgert ebenfalls seine großen Brüder gerne, sie schmeißen ihn dann dafür auch
öfters spielerisch in den Sand.
Mein Abendessen besteht aus: Fladenbrot aus dem
Wüstenkonsum, 2 Eiern, Datteln, Joghurt und Tee. Ich schätze das alles wird
wieder eine durchschlagende Wirkung haben. Gegen 10 Uhr ist Bettruhe, die
Familie verschwindet in den verschiedenen Hütten. Man hört noch eine Zeitlang
die Kinder reden, singen oder kichern. Ich höre danach eine ganze Zeitlang
Mücken um mich herum sirren und frohlocken. Gegen Mitternacht wird mir das zu
viel. Ich brauche mein NoBite-Mückenspray! Ich will die Familie nicht wecken,
verlasse das Lager. Das Auto kann ja nicht so weit weg stehen. Die ungefähre
Richtung denke ich zu wissen, laufe aber prompt in die Falsche davon. Nach
einiger Zeit wird mir klar, dass ich mich verlaufen werde, ein Sandsturm mich
begraben wird und die Beduinen sich Löffel aus meinen Gebeinen schnitzen
werden, wenn sie mich Jahre später finden. J Ich
kehre um, das Lager finde ich bestimmt wieder. Kurz davor probiere ich noch
eine Wagenspur im Schein meiner Taschenlampe nach rechts aus – und finde weiter
unten mein Auto! Schnell schnappe ich mir noch eine Literflasche Wasser und
wanke diese halb austrinkend durch den tiefen Sand zurück ins Lager. Ich sprühe
mich extrem großzügig mit dem Deet-haltigen Spray ein. Das Zeug stammt aus dem
Vietnamkrieg und hat auch die aggressivsten Mücken in Westafrika vertrieben. Es
übernimmt diesen Job auch hier zuverlässig und ich schlafe quasi unter freiem
Himmel und in einer sternenklaren Nacht stichfrei ein.
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