Da ist doch heute eine Russin vom asiatischen Personal
bis vor den Frühstückstempel verfolgt wurden. Sie hatte für sich und ihren Sohn
ein Koffer-großes Lunchpaket gepackt. Das wäre nicht erlaubt. Die Ertappte
schaut kurz irritiert, dann dreht sie sich wie Miss Piggy von der Muppetshow um
und läuft wutschnaubend Richtung Hotelausgang. Man wird hier immer wieder
köstlich unterhalten, wenn man an der Bar sitzt und WLAN schnorrt. Aber das ist
ja offiziell, gewünscht, legal. Ich starte ein letztes Mal meinen
vormittäglichen 1,5 km Fußmarsch Richtung Metro Station Al Fahidi. Wie jeden
Morgen wird mir wieder ein Smartphone von demselben traurig ausschauenden Menschen
angeboten, wie die letzten zwei Tage zuvor. Ich beachte ihn heute mal nicht.
Nur eine Station fahren, dann müsste ich ganz dicht an zwei meiner Tagesziele
sein: dem Sheikh Saeed al-Maktoum House und dem Heritage House. Im ersteren
lebte der Großvater des heutigen Herrschers von Dubai, der damals die Weichen
vom Mittelalter Richtung Moderne gestellt haben soll. Das ist eine Art kleines
Fort am Creek, welches 1996 aufwendig renoviert wurde. Das Heritage House ist
eine Art Zeitreise in das Dubai Anfang des 20. Jahrhunderts, als man hier noch
nach Korallen und Fischen fischte. Ein paar ärmliche Häuser, die Festung von
Sheikh Saeed al-Maktoum – that’s all. Das war Dubai. Und in den restlichen
Emiraten der VAE sah es nicht viel anders aus.
Das Problem des heutigen Tages – ich finde Beides nicht.
Ich steige zwar an der richtigen Metro Station aus, laufe aber in die falsche
Richtung, da mein Offline-Navi beide Ziele nicht kennt. Auch deute ich die
Antwort zweier Asiaten falsch. Ich lande wieder an der mir schon bekannten
Abra-Station und trifte dahinter in den Old Dubai Souk ab. Der sieht schön
antik aus. Während ich da durchlaufe, werde ich von 3-4 Indern oder Pakistanis
überfallen. Also mit ihrer stereotypen Kaufanmache, die sie meist seelenlos runterrasseln.
Ich bin es eigentlich müde, da immer höflich zu bleiben, denke ich sage heute
mal NIX. Da Yoda, der Behüter all meiner Reisen wie üblich aus meiner
Knietasche alles genau beobachtet, wird er auch von diesen Männern gesehen. Was
das ist, und ob sie es mal haben können… Bei netten Leuten mache ich mir die
Mühe, den Hintergrund und StarWars zu erwähnen. Hier habe ich keine Lust.
Prompt greift mir einer dieser Typen in die Tasche und will Yoda rausholen.
Null Respekt wird mit Null Toleranz beantwortet: ich haue ihm kräftig auf seine
Finger und Yoda bleibt wo er ist. Auch kann ich endlich mal etwas anwenden, was
ich neulich gelesen habe. Ich
sage: „1st: Don‘t touch me! / 2nd: Don‘t touch me!“ Das
kommt gut an. Sie schauen jetzt ziemlich ratlos und etwas respektvoller drein. Um
die Ecke entdecke ich das Dubai Museum, das ich auch besuchen wollte, es öffnet
aber erst 15 Uhr seine Pforte.
Ich starte einen weiteren Versuch das Sheikh Saeed
al-Maktoum House und dem Heritage House zu finden, verfahre mich mit einer
Buslinie und lande in den Außenbezirken von Dubai. Ich peile nun die Al Ras –
Metro Station an, steige dort aus und sehe gegenüber, auf dem anderen Flussufer
die beiden gesuchten Ziele. Jetzt noch übersetzen mit dem Abra und ein wenig
laufen. So etwas wie das Heritage House gibt es auch in Abu Dhabi, auf der
Halbinsel gegenüber der Corniche Road. Hier stellt man Wohnen, Arbeiten,
Lebensart, Kunst und Handwerk vor dem Ölboom aus. In wenigen Jahrzehnten wurden
die Emirate aus dem Mittelalter in die (westliche) Moderne katapultiert… und manchmal
ein Stück darüber hinaus.
Vor einer einfachen Hütte sitzen drei alte Männer. Meine
Theorie: Sie kommen mit diesem hypermodernen Dubai nicht klar, leben hier im
Museum, kümmern sich um die Kamele, frönen ihrer Jahrhunderte-alten
Handwerkskunst, leben ohne Highspeed. Vermutlich haben sie aber trotzdem
Smartphones in der Tasche ;). Ein jüngerer Araber schürt das Feuer, schmeißt
dabei eine Trommel aus Versehen in die Flammen. Es folgen nun drei Standpauken
der drei Alten – gleichzeitig. ;)
Das Areal ist ganz interessant, vor allem auch für die
jüngeren Generationen der Locals, die das nicht mehr kennen. Da heute Freitag
ist, sind auch viele Gastarbeiter unterwegs, lassen sich vor der Skyline oder
dicken Autos fotografieren und schicken das dann nach Indien, Nepal, Pakistan,
Bangladesch oder sonst wo hin. Am Creek gehen Familien spazieren, ein
OpenAir-Restaurant lädt zum Verweilen ein. Ich setze mich direkt an den Creek,
bestelle mir was Leckeres, denn ich habe noch einen Überschuss an Dirhams.
Wasser und Schiffe üben nach wie vor eine große Anziehungskraft auf mich aus.
Gern würde ich irgendwann mal mit einem Hochseefrachter eine Überfahrt wohin
auch immer machen. Mit so einem Holzfrachter, wie er gerade an mir vorbeizieht,
wäre das sicher auch ein Abenteuer. Aber da sind ja die Piraten vor den Küsten,
das wäre in diesem Fall mehr Abenteuer, als mir lieb ist.
Im Sheikh Saeed al-Maktoum House, welches ich oben schon
näher erwähnte, gefielen mir am besten die alten Fotografien von Dubai aus den
Jahren 1910-1960. Da gab es doch tatsächlich nur diese kleine Palastfestung und
einige eingeschossige Lehm- und Steinhäuser. Alles sehr einfach, der Fluss war
nicht befestigt.
Meine Zeit in Dubai geht zu Ende, ich fahre zurück in
mein Hotel, löse meinen Kofferrucksack aus und nehme mir ein Taxi zum
Flughafen. Der Fahrer kommt aus Südindien, genauer gesagt aus Kerala und somit
haben wir auch ein Smalltalk-Thema, denn da war ich Anfang 2012. Der Schalter
von Swiss ist extrem versteckt, mehr so ein Nebenzimmer der Haupthalle F. Ich
erfahre von 40 Minuten Verspätung. Zeit genug, um im riesigen Duty Free nach
etwas Nützlichem zu suchen: ein Auto-Ladekabel für mein Netbook.
Ich habe mir in den Kopf gesetzt, „Lawrence von Arabien“
den beeindruckenden Klassiker von David Lean, mir am Rande der Wüste auf der
Kühlerhaube sitzend unter klarem Sternenhimmel anzuschauen. In Dubai habe ich
schon zwei Anläufe genommen, keiner hatte so ein Kabel. Hier zunächst auch
nicht. Der afrikanische Verkäufer schickte mich ans andere Ende der Duty Free
Halle. Zwei lustige asiatische Verkäuferinnen konnten mir weiterhelfen.
Gekauft.
Irgendwann kommt dann auch der Flieger, der von Zürich
hier zwischenlandet, einige Passagiere rauslässt und neue wie mich bis zum
Endziel Muscat im Oman mitnimmt. Das mit dem Visum klappt auch ganz gut – ich
muss keine 40 EUR bezahlen. Dies gilt nur, wenn man max. 5 Tage in Dubai
gewesen ist, dann reicht ein einfacher Einreisestempel. Mein bestelltes Auto
ist natürlich kein Kombi oder Schrägheck. Da lässt sich auch nichts dran
drehen, sowas haben die hier nicht im Angebot. Warum auch immer. Schade, die
Idee mal im Auto zu übernachten ist somit passe. Da hätte ich mir auch ein
kleineres Auto nehmen können, statt diesem doch recht großen KIA Optima. Dafür
ist er sehr gut ausgestattet. Ich hatte mich neulich noch gewundert, als ich
mal kurz den 1971er Chevrolet Chevelle meines Bruders fuhr, das die Handbremse
eine Fußbremse ist, also links neben dem normalen Bremspedal liegt. Das ist
hier bei diesen nagelneuen Optima genauso. Andere Länder, andere Handbremsen.
Oder so.
Nachdem nun alles recht langsam und umständlich geklärt
wurde, sitze ich gegen 2 Uhr in meinem Mietauto. Meine NaviApp kennt sogar das
ausgewählte Hotel und lotst mich beinahe hin. Der heilige moslemische Freitag
scheint hier auch PartyTime zu sein, ich sehe überall Jugendliche in teuren
Schlitten herumfahren, singen, lachen, Spaß haben. Vier junge Leute rufen mir
aus einem Cabrio zu „We love you!“ Arabische Blumenkinder? ;) Sehr beliebt bei
der omanischen Jugend sind V8 – Modelle a la Ford Mustang, Dodge Challenger und
Chevrolet Camaro. Aber auch vereinzelt aktuelle Lamborghini oder Ferrari. Eben
Autos mit Ausstrahlung, keine der Allerwelts-Blechblasen. Irgendwann finde ich
das indisch geführte Hotel. Im Vergleich zum Hotel in Dubai eher schlicht und
kitschig, aber für einen Reisenden mehr als in Ordnung. Ich falle gegen 3 Uhr
todmüde in mein viel zu kurzes Bett.
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