Gegen 5 Uhr wache ich auf. Nicht wegen der Geräusche, die
das Dünnhautzelt die ganze Nacht im leichten Wind verursacht, sondern wegen der
Kälte. Ein Thermoshirt, zwei Hosen, Strümpfe und eine Decke ersetzen eben
keinen guten Schlafsack hier oben. Mehr als 8 Grad sind das sicher nicht. Gegen
sechs Uhr ziehe ich in das Auto um und werfe den Motor und die Heizung an.
Schön warm, aber im Sitzen weiterschlafen ist auch nicht so bequem. Es wird
hell um die Berggipfel, aber die Sonne lässt sich noch nicht blicken. Ich
steige aus, jage die ersten Sonnenstrahlen über den Berghängen mit der Kamera.
Zu spät positioniere ich den Camcorder auf dem Autodach, der
Zeitrafferaufnahmen vom Sonnenaufgang über dem Jebel Misht Massiv machen soll.
Ich knipse rund um meine kleine Zeltfestung fast jeden Stein, bin dabei sicher
auch gut von der Passstraße und von der Piste tief hinunter in das kleine Nest
Misfat al Khawater zu sehen.
Irgendwann kommt ein Omani „meinen“ Hügel hoch und
stellt sich als Salmar vor, der mich gern zum Jebel Shams, dem 3000 m hohem
Berg mit Blick auf Omans einzigartigen „Grand Canyon“ bringen will. Ich weiß
zwar, dass die asphaltierte Passstraße in ca. 2 km endet, aber was wird das
hier? Ein schnelles Hin- und Zurückfahren mit integriertem Abhak-Knipsen? Sehen
würde ich den „Grand Canyon“ schon sehr gern. Mein Mietauto dabei nicht zu
schrotten, wäre auch keine schlechte Idee.
Er bietet mir für 20 OMR die Hin & Rückfahrt mit
seinem uralten Nissan Patrol an. Ich habe keine Ahnung, was so etwas kosten
darf, aber knapp 40 EUR sind ein bisschen viel für schätzungsweise insgesamt
max. 20 km. Er geht runter auf 15 OMR. Ok, bevor ich den Canyon gar nicht sehe…
Ich fahre vor, bis die asphaltierte Strecke aufhört, parke da meine KIA-Limo
neben 2 anderen PKW und steige in den Patrol zu Salmar um. Schnell noch die
Schuhe wechseln und eine Flasche Wasser mitnehmen. Der Patrol ist vorn eng wie
eine Konservenbüchse. Das liegt wohl daran, dass der Sitz nicht mehr
verstellbar ist. Die beiden Schalthebel sind mit Ziegenfell verkleidet. In so
einem alten Nissan saß ich zuletzt 2005, auf der recht abenteuerlichen Rückfahrt
von Timbuktu nach Mopti (Mali).
Die Piste ist zunächst fast eben, dann kommen
kurze Abschnitte, wo ein 4WD die bessere Wahl wäre, mein KIA das aber auch
irgendwie geschafft hätte. Ab dem Abzweig, der zur Militär-Radar-Basis führt,
ist plötzlich wieder beste Asphaltstraße. Ein bisschen komme ich mir veralbert
vor, aber letztendlich ist es ok und auch schnell vergessen, als ich gegen
08:15 Uhr am Abgrund zum Canyon stehe. Wow. Luftschnappen. Das haut mich fast
um. Der Blick in die Tiefe. Das geht sicher mehrere hundert Meter herunter. Zumindest
an einer Stelle verhindert eine kleine Drahtabsperrung das zu nahe Herantreten
an den Abgrund. Ich mache ein paar Fotos, obwohl die Sonne gerade voll auf den
Canyon knallt. Kein gutes Fotolicht. Tief unten sieht man ein kleines Dorf,
fast völlig verloren. Ich kann es durch mein Objektiv heranzoomen. Salmar sagt
ein wenig schadenfroh, die haben nur eine Stunde Shams am Tag, also vermutlich
Sonne. Salmars Englisch beschränkt sich nur auf ca. 20 Wörter, die er braucht,
um klarzumachen, welche Dienstleistung er anbietet.
Wir fahren noch ein Stück weiter, ein sanft ansteigendes
Steinplateau hoch. 10 Meter vor der Kante stoppt Salmar den Nissan. Hier gibt
es keinerlei Absperrung. Ab der Felskante geht es ohne Umwege mindestens 800
Meter in die Tiefe. Ich berausche mich am Anblick dieses gigantischen
Felsloches und entferne mich mit schnellem Schritt von Salmer. Ich will das in
Ruhe und ohne Druck genießen. Er setzt sich derweil an die Felskante. Es sieht
von weitem so aus, als ob er betet. Ich knipse, schaue, knipse und packe den
Fotoapparat weg, setze mich auf einen Felsblock dicht vor dem Abgrund und bin
immer noch überwältigt. Hier oben hätte ich gern übernachtet. Hinter mir ist
eine Art Lodge, wo man das hätte tun können, auch im Zelt. Aber im Dunkeln
hätte ich keine Chance mit dem KIA gehabt, im Hellen schon eher. Abgründe gibt
es auch auf der Herfahrt einige. Da sollte man nachts die Piste schon sehr genau
kennen.
Wir fahren wieder zurück. Salmer weist mich mindestens
zum 10. Mal auf den Radar-Armeeposten rechts oben auf dem Berg hin. Mich
interessiert das jetzt so ziemlich überhaupt nicht, keine Ahnung, warum er das
so oft sagt. Nachdem er sein Geld bekommen hat, fährt er sofort wieder los, um
PKW-fahrenden Ausländern wie mir seine 4WD-Dienste anzubieten. Ich rolle ins
Tal herunter, habe jetzt ziemlichen Hunger. In Al-Hamra hatte ich gestern einen
CoffeeShop gesehen. Den steuere ich an. Hier gibt es zwar Nescafe in
Pappbechern, aber natürlich kein europäisches Frühstück. Dafür indisches. Die
Karte kann ich nicht lesen, weil es keine gibt. Und wenn es eine gegeben hätte,
wäre die in Arabisch gewesen. Bei irgendeinem Gericht, das Masala im Namen
trägt, nicke ich mit dem Kopf. Rechts sitzen zwei junge Omanis und lassen es
sich schmecken, am anderen Tisch zwei ältere Einheimische und zwei Inder. Und
am dritten Tisch der schwarz gewandete Ausländer. Das Essen sieht lecker aus:
Eine Paste mit Shrimps und vermutlich Kartoffeln, frische hauchdünne Fladen und
Gemüse. Dazu bekomme ich eine kleine Flasche Mineralwasser und meinen Nescafe.
Ich esse alles brav auf, weil es sehr gut schmeckt und ich verdammt hungrig
bin.
Wohin heute mit mir und dem Auto? Ich lese etwas von
einer Grotte in der Nähe, der Al-Hoota Cave. Als ich dort ankomme, ist gerade
Mittagspause, die Tore sind geschlossen. Ok, dann fahre ich hoch zum
Aussichtspunkt Sharaf al Alamayn. Dort soll man auf 2000 m Höhe einen
spektakulären Blick auf die nördlichen Wadis der Gegend haben. Ich schlafe aber
direkt oben angekommen ein. Direkt nach diesem Aussichtspunkt endet die gut
ausgebaute Straße wieder und wird zur abenteuerlichen Piste, die sich tief ins
Tal windet. Fährt man sie weiter, kommt man über den Wadi Bani Awf in der Nähe
von Rustaq heraus.
Das habe ich von der anderen Seite schon probiert und bin
mit dem Auto gescheitert. Auch soll man auf dieser Strecke schwindelfrei sein.
Klingt abenteuerlich verlockend. Ich drehe wieder um und fahre nach Nizwa. Wenigstens
einmal ein Hotel zur frühstmöglichsten Zeit beziehen. Dachte ich mir, denn ich
finde es nicht. Unter Mithilfe des Reiseführers, der NaviApp (die beide nichts
Genaues wissen) und einer Menge an Intuition checke ich, dass mein Hotel ca. 14
km außerhalb von Nizwa in Richtung Mannah liegt. Bevor ich da raus fahre,
durchkämme ich noch das Fort von Nizwa. Im Grunde gleichen sich die Forts in
Ausstattung und Funktionalität. Die schönsten Forts bisher waren gestern das in
Jabrin und das in Al-Hazm, dicht gefolgt von dem in Rustaq. Da ich aber selbst
gern eine Einfamilienburg besitzen würde, langweilen mich die
Festungserkundungen nicht.
Ich surfe noch ein wenig durch Nizwa, will mich mit
dem Ort vertraut machen, weil ich morgen verdammt früh zum traditionellen
Viehmarkt nach Nizwa möchte. Weniger wegen den Tierchen, sondern wegen
spannender Gesichter, traditionellem Volk, das aus den schwer zugänglichen
Berg- und Wadi-Dörfern hierher strömt um Tiere zu kaufen oder zu verkaufen.
Deswegen endet der Bericht hier, denn ich brauche ein Mütze Schlaf, von der ich
heute und gestern nicht allzu viel hatte. Im Unterschied zu gestern wird es
geradezu himmlisch bequem und luxuriös in meiner klimatisierten Bambushütte des
Noor Majan Camps. Mit dem Ausblick, den Bergen, der Mondnacht da oben kann es
nicht mithalten. In keinster Weise.
Kalt erwischt. Aber schön...
Frühstück in Al-Hamra
Salmar
Morgens früh am Abgrund im Oman...
Salmar, der Offroad-Omani...
Am Schlund des Canyons...
Im Schlund des Canyons...
Fort Nizwa...
Meine Bleibe...
Da gab es ja heute früh doch eine Frühstückslektüre :-) Da gestern Abend schon ein neuer Beitrag online war, dachte ich, diese allmorgendliche Lesung fällt heute aus.
AntwortenLöschenIn Nizwa gibt es ein schönes, typisch omanisches Restaurant. Kennt da sicher jeder. Warst Du schon im Wadi Bani Khalid? Da kann man herrlich baden im türkisfarbenen, glasklaren Wasser, zwischen Felsformationen. Lohnt sich wirklich. Und was ist eigentlich mit der Wüste? Denn Dein Blog nennt sich ja "Ab in die Wüste" :-)