Ich schaffe es doch tatsächlich, 06:30 Uhr aufzustehen!
Und dann sitze ich auch noch pünktlich 7 Uhr im kleinen Restaurant des Noor
Majan Camps und bekomme von Andeet, der philippinischen Bedienung mit dem
verschmitzten Lächeln, Berge von leckeren Frühstückszutaten aufgetragen. Woher
weiß er, dass ich auf englisches Frühstück stehe? 07:35 Uhr, ich liege gut in
der Zeit, brauche bis Nizwa ca. 10 min, wenn die Straßen in die Stadt nicht von
den An- und Verkäufern des Tiermarktes, ihren Angehörigen oder den
Stadtbewohnern verstopft sind. Ich komme gut bis ins Zentrum durch, der gestern
komplett leere Parkplatz vor dem Fort ist maximal belegt mit großen
Geländewagen, Pickups und Viehtransportern. Geschäftiges Treiben herrscht und
Parkplätze sind Mangelware. Ich folge anderen Parkplatz-Suchenden in eine
Sackgasse und rangiere mich da mühsam wieder heraus. Hier werde ich nichts
finden, ich versuche mein Glück in den engen Gassen des Wohnviertels hinter dem
Fort und gegenüber der Moschee und werde fündig. Gegen 8 Uhr erreiche ich das
Rondell, in dessen Mitte die Kaufwilligen sitzen und um dessen äußeren Ring die
Tiere an Stricken entlang gezerrt und vollmundig angeboten werden. Ganz außen
stehen auch noch Lauf- und Schaulustige. Auch ein paar Touristen, die meist zu
einer kleinen Gruppe gehören. Das hält sich aber in Grenzen, ich hatte
angenommen, dass es mehr wären. Ein iPad-Knipser fällt mir auf. Schrecklich,
das. Drei Deutsche werden von ihrem Guide instruiert: 20 min Fotografieren und
dann Treffpunkt am Bus. Eine Holländerin quasselt einem Schaf das Ohr blutig,
weil sie es in der richtigen Position fotografieren will.
Der Markt ist richtig im Gange. Ständig werden neue Tiere
ins Rondell geschleppt und von ihren Besitzern angepriesen. Es entstehen
lautstarke Dialoge, die Tiere werden geprüft und so manch einer der Herren holt
sich das letztendliche OK für einen Kauf von seiner Frau aus der hintersten
Reihe. Die verwaltet dann vermutlich auch das Geld. Ich bin eigentlich weniger
scharf auf die Tiere, mehr auf ausdrucksstarke Gesichter. Erst fotografiere ich
zaghaft, aus der Deckung. Da es aber niemand stört, suche ich mir dann gezielt
interessante Gesichter aus. Immer wenn jemand auf dem LCD wunderbar aussieht,
dreht er sich vor dem Schuss um oder jemand läuft ins Bild. Aber das kennen ja alle
Fotojäger, die nicht so auf gestellte Bilder, sondern direkt auf Schnappschüsse
aus dem Alltagsleben stehen. Ein paar Aufnahmen gelingen trotzdem recht gut.
Die Sonne steht entweder hinter den Motiven oder diese stehen im Schatten.
However, ein Gesicht hat mir ganz besonders gefallen – ein Mann so um die 40
herum mit seinem Sohn, den er vielleicht das erste Mal mit auf den Markt nimmt.
Dieser Mann hat eine enorme Ausstrahlung, er könnte gut und gerne einen Kalifen
aus den 1001 Märchen abgeben. Ich sehe viele junge und alte Omanis, alle sehr
stolz und erhaben. Die traditionelle Kleidung scheint durchweg getragen zu
werden – von Jung und Alt. Das scheint auch ein Statussymbol zu sein – wir sind
die Herren des Landes, Ihr die Gastarbeiter. Ich habe bisher nur Gastarbeiter
in westlicher Kleidung gesehen.
Nebenan auf dem Vogelmarkt werden Singvögel und
vereinzelt Papageien angeboten. Auf einem anderen Platz habe ich viele Omanis
mit alten Flinten gesehen. Einige werden auch verkauft und gelegentlich
Probeschüsse in die Luft abgegeben. Heute las ich von einer Stadt namens Ibra,
in die ich heute Abend noch fahren will, die aus zwei Stadtteilen besteht. Den
einen bewohnt der Stamm der Al-Maskri und den anderen der Stamm der Al-Harthi.
Beide waren spinnefeind, beschossen sich noch bis 1977 gegenseitig mit ihren
Gewehren. Heute soll das kein Thema mehr sein.
Gegen neun Uhr hört der Viehmarkt langsam auf, so wie es
der weise Reiseführer von ReiseKnowHow beschrieben hat. Es wird zu heiß für
Mensch und Tiere, mein Timing war recht gut, auch wenn ich noch eine Stunde
eher hier hätte sein können. Ich beschließe dem Jebel Akhdar, dem „grünen Berg“
noch einen Besuch abzustatten. Der Jebel Akhdar ist ein Gebirgszug des
Hajar-Gebirges und war lange Zeit total isoliert. Man kam da nur zu Fuß oder
mit dem Esel hin. Der Berg ist sehr fruchtbar, da es dort oft regnet und sein
Kalkgestein den Regen besser speichern kann. Irgendwann baute das Militär eine
Straße da hoch bis in 3000 m Höhe. Die ist bestens in Schuss und man bräuchte
dafür keinen Geländewagen, trotzdem ist es Vorschrift. Ich teste es aus und
werde von dem Militärposten freundlich aber bestimmt zurückgeschickt. Ich fahre
zurück nach Birkat al-Mauz, wo mich Masud, ein junger Mann mit einem
Riesen-V8-LandCruiser abfängt. Er sagt er wäre Polizist und heute ist sein
freier Tag, da hilft er gern Touristen, die keine Allrad-Blechkiste haben, um
auf den Berg zu kommen. Natürlich für Geld. Ich überlege kurz, willige ein,
denn ich möchte da hoch, das Saiq-Plateau auf dem Jebel Akhdar sehen. Am
Militärposten werden Masuds Papiere gecheckt und notiert. Für mich reicht nur
die Auskunft, dass ich aus Deutschland komme.
Es geht sofort steil nach oben, die Serpentinen schiebt
sich der LandCruiser mit viel Kraft nach oben. Ziemlich weit unten gibt es
kurze Auffangstraßen mit finalem Stopper, falls mal jemand die Bremsen
durchgehen. Viel schwieriger als den Großglockner hochfahren ist das hier aber
auch nicht. Auch oben ist es kein Problem, das hätte der KIA alles locker geschafft.
Ich bin genauso ratlos wie mein Reiseführer: warum ist hier ein Geländewagen
Pflicht? Masud fragt mehrmals, ob seine arabische Musik für mich ok ist und ob
er mal eben schnell im nächsten Dorf beten kann. Vor einer Moschee, die
komplett mit diversen Geländewagen zugeparkt ist, stehen schon die Gläubigen,
die nicht in die Moschee mehr passten im Hof. Masud reiht sich ein. Ich bleibe
draußen, vor dem Berg von Sandalen und Schuhen und frage mich gerade, wie da
jeder sein Paar wieder finden will.
Masud fährt mich anschließend an diverse Aussichtspunkte.
Einen davon kenne ich aus meinem Reiseführer – den grünen Berg oder besser
Felsvorsprung mit seinen Terrassen, der im April wohl am besten aussehen soll.
Links davon liegt ein bewohntes Dorf in einer riesigen Schlucht. Das schreit
wieder nach einem nervösen Auslöser-Finger. Am Ende einer Straße kann man in
den Wadi Bani Habib absteigen. Dort sieht man an den gegenüberliegenden Hängen
zwei verfallene und verlassene Dörfer. Man kann hinunter und an ein paar Walnussbäumen
vorbeilaufen, bis zu den Ruinen. Masud empfiehlt mir das, denn er ist schon
seit unserer Ankunft auf dem Plateau ständig am Chatten mit seiner Freundin. Ich
würde ja gern, aber das sehr gute Abendessen oder Frühstück aus dem Noor Majan
Camp schlägt durch. Ich frage nach der nächsten Toilette. Masud versteht das
nicht, kann auch nur sehr wenig Englisch und nur das, was für seinen Nebenjob
taugt. Er ist auch gerade ganz wild am Chatten. Ich laufe zum Parkplatz und
entdecke doch tatsächlich ein WC. Natürlich das arabische Modell, wo man nur im
Stehen sich entleeren und mit dem immer danebenhängenden Raab-Kärcher-Wasserschlauch
den Allerwertesten blank wasserstrahlen kann. Ich möchte nun nicht weiter mit
fäkalen Details langweilen, nur so viel: der vorbereitete Reisende hat immer
mind. 2 Packungen Tempo-Taschentücher dabei. J Jetzt fühle ich mich in der Lage, den
Abstieg in den Wadi in Angriff zu nehmen.
Hier am Aussichtspunkt sind auch einige indische und
pakistanische Gastarbeiter, die heute, am heiligen Freitag sich einen Ausflug
gönnen. Das tun sie aber sehr lautstark, schreien sich ihre aktuellen
Positionen durch das Tal zu. Drei davon treffe ich weiter unten, wie sie sich
gerade gegenseitig vor einem Walnussbaum, der weder Blätter noch Nüsse trägt,
ablichten. Wie so oft frage ich, ob ich beim Fotografieren behilflich sein
kann, was sie gern annehmen. Unten im fast trockenen Flussbett sieht man die
Reste eines typisch omanischen Wasserkanals, links rinnt Wasser von den Felsen.
Hier gefällt es mir gut. Meinen neuen pakistanischen „Freunden“ offenbar auch,
denn sie schreien sich ihre Erbauung wortreich zu. Mich zieht es zu den Ruinen
des alten Dorfes auf der anderen Seite. Leider habe ich nicht wie gestern meine
Wanderstiefel angezogen und auch kein Wasser mit. Egal, ich muss da hoch in die
Ruinen und die Teva-Sandalen sind halbwegs trittsicher. Einige der Häuser sind
noch gut erhalten, andere verfallen und bei einigen droht der finale Einsturz.
„Meine“ drei Pakistanis sind auch angekommen, setzen sich in alte Fensterrahmen
hoch oben und lassen sich von unten fotografieren. Das finde ich ziemlich
kreativ, solange das Gemäuer hält... ;) Einer von ihnen fragt, ab er mich
fotografieren darf. Er ist jung, trägt eine Brille und ist sehr höflich. Ich
sage ja, aber nur wenn ich ihn auch fotografieren darf. Letztes Jahr in Indien
wollte man mich auch immer fotografieren. Ich halte mich nun absolut nicht für
fotogen, aber vielleicht ist das ja ein beliebter Sport bei Asiaten:
Bleichgesichter-Fotos sammeln. Andererseits mache ich ja auch nichts Anderes,
wenn ich in exotischen Landen unterwegs bin.
Ich krieche noch eine Weile in den Ruinen herum, so etwas
fasziniert mich immer, da könnte ich tagelang bleiben, in irgendeinem alten
verfallenen Haus übernachten, nachts am Feuer sitzen und in die Natur lauschen.
Eine halbe Stunde wird noch gehen, denn Masud wird immer noch heftig chatten,
da oben am Parkplatz. Irgendwann steige ich dann wieder auf, komme etwas fertig
oben an. Masud unterhält sich mit einem Bekannten, der mich nach arabischer
Sitte mit Handschlag begrüßt. Wir steigen ein, ich werde noch zu zwei
Fotopoints gefahren und dann lenkt mein kleiner PoliceMan seinen gewaltigen
LandCruiser chattend ins Tal hinab. Im Grunde mag ich so etwas absolut nicht,
diese Abhaktouren. Allerdings hätte ich hier oben dann nichts gesehen, da ich
definitiv nicht mit meinem PKW auf den Berg gelassen wurden wäre, was ich ja
eingangs experimentell mir bestätigen lassen habe.
Die Entlohnung für die 3 Stunden ist vermutlich
angemessener, als die neulich auf der Minitour zum Canyon des Jebel Shams,
dennoch eine Hotelübernachtung wert. Aber für mich ist das ok. Komme ich hier
noch einmal her, dann hole ich mir einen Geländewagen, egal was der kostet.
Eben ist auch wieder der Gedanke aufgekommen, Jordanien demnächst einen Besuch
abzustatten. Vielleicht sollte ich mich beeilen, bevor das Land ähnlich
instabil wird wie Syrien, Lybien, Ägypten oder Tunesien. Die sogenannten
arabischen Revolutionen haben bisher nirgends die Lage der Völker wesentlich
oder dauerhaft verbessert. Doch zunächst überlege ich, wo ich heute noch
hinfahren könnte. Ich beschließe in Richtung Sandwüste zu fahren, will es vor
Einbruch der Dunkelheit noch bis Ibra schaffen und da entweder das Zelt
aufschlagen oder in einem Motel übernachten.
13 km vor Ibra fahre ich rechts in die omanische Pampa
auf einem Schotterweg ab. Nach 2 km finde ich eine Durchfahrt zur Ebene rechts daneben
und „verstecke“ das halbe Auto hinter einem stacheligen Wüstenbusch. Die
Entfernung zur Feldpiste erscheint mir noch zu gering, aber tiefer in das
Gelände ist mit meinem KIA nicht ratsam, denn er würde aufsetzen. Ich baue das
Zelt auf, laufe mit einer leckeren Mango rund um mein Lager, die dabei ihre
Schale verliert und aufgegessen wird. Der Himmel ist wie immer sternenklar. Als
der Mond sich zeigt, ist das Gelände wunderbar ausgeleuchtet. Irgendwo dahinten
ist ein Dorf. Ein Pickup ist schon vorbeigefahren. Ich frage mich gerade, ob
sein Lichtkegel meinen Lagerplatz erfasst, obwohl der so 80 m parallel liegt.
Im Auto fange ich auf dem Netbook diesen Blogeintrag in meinem mobilen „Reiseschreibbüro“
auf dem Rücksitz an. Doch ich bin nicht allein im Auto. Irgendein Käfer setzt
sich auf das Display des Smartphones. Kurz bevor ich ihn fangen will, fliegt er
davon, verkriecht sich im Auto. Hoffentlich ist das ein friedliches Tierchen
und hat keine Special Effects wie einige seiner Artgenossen in Westafrika
drauf. Dann telefoniere ich noch mit einer lieben Person im fernen Deutschland,
da ich noch einige Credits auf meiner omanischen SimCard habe. Nach dem
Gespräch sehe ich draußen erneut einen Geländewagen vorbeifahren. Aber dieses
Mal wird er langsamer, wendet, kommt auf mein kleines Lager zu. Verdammt,
entdeckt.
Er schreit irgendwas in Arabisch, die Scheinwerfer auf
mich gerichtet. Ich richte meine 600 Lumen – Taschenlampe auf den Fahrerplatz und
will wissen, was er will. Er wendet seinen Truck, schreit etwas, was wie
„Määääh“ klingt und verschwindet. Wenig später kommt ein dicker Land Cruiser
ebenfalls auf mich zugefahren. Ich laufe zu ihm hin, nachdem ich ihn vorher
auch mit der 600er Lampe angeleuchtet habe, was ihn vermutlich fast erblinden
ließ. J Er
erzählt mir etwas, ein paar Brocken in Englisch sind auch dabei. Ein Freund
hätte ihn auf mich hingewiesen und warum ich nicht in einem Haus schlafe.
Vermutlich sind beide nur besorgt oder neugierig gewesen. Ich denke aber, dass
vielleicht noch mehr von ihnen kommen und ich dann nachts mich immer aus meinem
Zelt für eine Lichtbegrüßung schälen müsste. Auch fällt mir wieder mein
Alptraum von der zweiten Zeltübernachtung ein – aus Versehen von diesen fetten
Geländewagen im Zelt überrollt zu werden. J However,
ich übernachte lieber unentdeckt in meinem Zeltlein, packe dasselbe ein, suche
vorsichtig die Durchfahrt zur Feldpiste und dann zur Hauptstraße nach Ibra.
Nach 13 km komme ich dort an, suche das Ibra Motel auf, das hinter der
OmanOil-Tankstelle in Richtung Muscat liegt. Das Motel ist einfach, aber voll
ok. Nebenan gibt es auch leckeres omanisches Essen. N8.
"Mein" edler "Sultan"...
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