Dienstag, 24. Dezember 2013: Es geht zurück, in das Land der grauen Weihnacht…

Mein letzter Tag im Oman bricht an. Ich überlege schon den ganzen Morgen, ob ich noch einmal ins 100 km entfernte Ash Shab aufbreche. Vorbei an den Hauptstadt-Radarfallen deutscher Produktion. Da fällt mir ein, das ich die Sultan Qaboos Grand Mosque mir noch anschauen wollte. Es ist die größte und vermutlich sehenswerteste Moschee des Landes und sie wurde 2001 nach 6 Jahren Bauzeit fertiggestellt. Damals hatte sie den größten zusammenhängenden Teppich der Welt (70 x 60 m) und den größten Swarowski-Kristallleuchter. Beide „Titel“ wurden ihr nach nur wenigen Jahren von der neuen Riesen-Moschee in Abu Dhabi abgenommen. Dort kam ich seinerzeit (2010) auf dem Weg zum Flughafen noch hinein, hier in Muscat nicht, denn das geht wohl nur bis 11 Uhr. Die Sultan Qaboos Grand Moschee ist auch eine der wenigen Gotteshäuser im Oman, die für Nichtgläubige zugänglich ist. Aber auch von außen ist das Bauwerk mehr als imposant. Das höchste Minarett bringt es immerhin auf 90 m Höhe, 6000 Gläubige können im Innern beten, auf dem Gebetsplatz davor weitere 14000. Soviel Platz braucht keine katholische Kirche bei uns, da müssten schon die Gläubigen aus mehreren deutschen Groß- und Kleinstädten zusammengezogen und ihnen gut zugeredet werden. Die Moschee liegt weit außerhalb von Muscat, an der Hauptstraße nach Al-Azaiba. Immerhin hatte ich eine Heiligabend-Erscheinung vor der Moschee (siehe Videoclip).

Irgendwie komme ich an der neuen, noch nicht ganz fertigen aber bereits eröffneten Muscat Grand Mall vorbei. Mich interessiert, ob es auch hier die ewig gleiche Mischung aus hochpreisigen westlichen Markengeschäften gibt. Gibt es. Ich finde aber auch nichts, was mich faszinieren könnte, nichts was fremd und ungewohnt ist. Diese Welt wird immer gleicher, austauschbarer. Nach 15 Minuten bin ich wieder draußen. Fcuk Globalisierung, man wird irgendwann anhand der Supermärkte, Shopping Malls überhaupt nicht mehr erkennen, das man im Ausland ist. Nur gut, das da genug Frauen mit Burka herum laufen. Ich frage mich aber immer, WANN sie denn diese teuren westlichen Fummel tragen… Vielleicht unter der schwarzen Rüstung? Oder exklusiv in den eigenen vier Wänden zur Erbauung des Gatten? Nicht mein Problem.

Was bietet Muscat noch an imposanter Architektur? Die neue Oper. Richtig. Oman hat ja eine Jahrhunderte-alte Opern-Tradition. ;) Natürlich nicht. Allerdings eine reiche Tradition an Musik und Dichtung. Per Dekret ließ der Sultan das Royal Opera House mit 1100 Plätzen erbauen und 2011 feierlich eröffnen. Die Architektur ist nicht futuristisch, eher passend zum Oman, was ich als sehr angenehm empfinde. Ich komme nur bis zum Ticketschalter, aber schon das Foyer ist sehr eindrucksvoll, elegant und sehr geschmackvoll, keineswegs protzig gestaltet. In einem Seitenflügel hat man eine kleine Edel-Boutiquen Mall integriert. Mehr ist unter www.rohmuscat.org.om zu finden.

Der Rest meines letzten Tages im Oman hält leider keine großen Überraschungen oder kleine Abenteuer für mich bereit. Ich fahre noch einmal in Richtung Seeb, um den dortigen Souk zu besuchen. Leider endet das in einer Reihe von Staus, Umleitungen und „Ich verfahr mich mal eben…“ – Erlebnissen. Irgendwann kaufe ich mir eine Flasche Milch in einem Lulu-Market und nuckele daran etwas frustriert am Rande eines Straßengrabens. Leider ist es auch schon wieder dunkel. Irgendwann fahre ich zurück. Zurück in den großen Carrefour-Supermarkt im City Centre in der Nähe des Flughafens. Ich muss meine Zeltausrüstung noch loswerden. Bisher ist mir aber noch niemand über den Weg gelaufen, der das Zeug eventuell gebrauchen könnte: eine gute Luftmatratze nebst Pumpe, ein angebliches 3-Mann-Kuppelzelt (für zwei sicher ok) und eine Kuscheldecke. Einfach das Ganze irgendwo anonym abladen mag ich auch nicht. 

Im Parkhaus des City Centre kommt mir nach Erreichen der Parkposition ein junger freudig strahlender Asiate entgegen. Bevor er mir sagen kann, dass er gern mein Auto putzen mag, mache ich meinen Kofferraum auf und preise meine Zeltausrüstung wie ein Souq-Verkäufer an. Sandib weiß erst mal überhaupt nicht, was der Fremde ihm da andrehen will und warum. Als ich mehrmals betone, dass er den Kram umsonst haben kann, strahlt er stumm, schultert seine neue MinimalOutdoorAusrüstung und schafft sie in Sicherheit. Ich bewache solange seinen fahrbaren Putzcontainer. Und da ich einmal beim Beräumen meines doch recht großen Kofferraums bin, stelle ich Sandib auch noch 3 Flaschen feinstes omanisches Mineralwasser an seinen Arbeitsplatz. Keine Ahnung, was der junge Mann mit den Gebrauchtgaben macht. Wenn er noch ein paar omanische Real dafür bekommt, umso besser.

Langsam wird es Zeit, den Flughafen anzusteuern. Ich gebe das Auto ab. Auf Nachfrage will niemand mit mir zusammen um das Gefährt springen und nach Beulen suchen. Es gibt nur die lapidare Frage „Did you have an accident?” Ich verneine, tue noch kund, dass ich aufgetankt habe und werde in den Flughafen entlassen. Noch einmal versuche ich den Verbleib meines in Dubai erstandenen Netbook-Ladekabels herauszufinden. Der Lost & Found – Schalter der omanischen Polizei hat nur bis 13 Uhr auf. Ich rufe eine Nummer an, aber der sich offenbar schon im Feierabend befindliche Beamte weiß von nichts. Ok, vergessen wir das Kabel. Irgendwann sitze ich im Flieger und hebe ab in Richtung Bahrein. Dort gelandet erfreue ich mich als Transitreisender eines erneuten Sicherheitschecks. Kann man im Oman im Duty Free etwa Waffen kaufen? Oder im Flieger von Gulf Airline Rauschgift shoppen? Manche Länder übertrumpfen den westlich vorgelebten Sicherheitswahn noch um Längen. Einen Kaffee bekommt man hier auch nur, wenn man 5 EUR als Schein passend hat. Ich lese bis zum Weiterflug den Altmann. Sehr erbaulich. In der Luft bringt mir im halbleeren arabisch dominierten Flieger von Gulf Airline irgendwann eine arabische Stewardess verstohlen lächelnd einen Plastikbecher mit Sekt vorbei und flüstert: „Merry Christmas“. 


 Sultan Qaboos Grand Mosque
Meine weihnachtliche Erscheinung...

Sultan Qaboos Grand Mosque
 Royal Opera House Muscat


Sandib, ein künftiger Outdoorianer
Der Sultan verabschiedet mich...


Montag, 23. Dezember 2013: Des Sultans Homebase…

Nach dem Frühstück markiere ich in meinem Navi erst einmal die aktuelle Position des Hotels. Heute Abend will ich es in weniger als 10 Minuten im Rushhour-Verkehr im Anflug finden können. J  Die letzten zwei Tage stehen im Zeichen der Hauptstadt-Erkundung. Muscat (sprich Masskatt) hat nichts mit der Muskatnuss zu tun. Die Bedeutung liegt wohl zwischen „Ort des Fallens“, „Ankerplatz“ bzw. den Bergen, die steil zum Ufer des Meeres abfallen. Muscat ist nicht vergleichbar mit Dubai oder Abu Dhabi. Gottseidank. Der eigentliche Ort Muscat besteht nur aus dem Regierungsviertel, dem Palast des Sultans, ein bisschen „Alt“stadt und den zwei Festungen Mirani und Jalali, die nicht öffentlich zugänglich sind. Jalali ist sogar nur Staatsgästen vorbehalten. Das Leben tobt in den Ortsteilen um Muscat herum, z.B. in Qurum und Mutrah bzw. dem Umland, das zur Capital Area gehört.

Man hat in Oman darauf verzichtet mit den Ölmillionen aberwitzige und überflüssige Wolkenkratzer wie in den Emiraten zu bauen. Muscat hat zwar kaum einen Altstadtkern, aber alles wurde städtebaulich behutsamer und der Tradition des Landes angepasster neu gebaut. 1970 entmachtete der heutige Sultan Qaboos seinen Vater, der es strikt verbot, neue Gebäude zu erbauen, dessen Land extrem rückschrittlich war. Es soll nur eine Schule im ganzen Oman gegeben haben. Der in England ausgebildete neue Sultan gelobte in seiner Krönungsansprache, den Oman in die Moderne zu führen. Mit den Ölmillionen ist ihm das weitestgehend gelungen. Es gibt überall kostenlose Schulen, Krankenhäuser und eine richtig gute Infrastruktur, die ständig erweitert wird. Natürlich alles auch irgendwo auf Kosten der Millionen Billiglöhner aus Asien, die diesen Fortschritt in die Tat umsetzten. Ich habe mich schon in den Emiraten gefragt, warum man dem emsigen asiatischen Billigarbeiter nicht mal ein Denkmal setzt. Das wird es aber vermutlich nie geben.

Mein Hotel steht im Ortsteil Ruwi. Ich mach mich als Erstes auf nach Mutrah, will in den Souq, der zwar renoviert ist, aber trotzdem noch eine Menge arabisches Flair haben soll. Mutrah ist eigentlich die Schwesterstadt von Muscat, hatte nur den Nachteil, von der Landseite angreifbar zu sein, da es keine schützenden Berge hat. Ich lande an der Corniche, der relative neuen Uferstraße von Mutrah, die auch gut in Südeuropa hätte stehen können. Irgendwo bekomme ich sogar einen Parkplatz. Nebenan verzücken Wellenbrecher Schulkinder auf dem Nachhauseweg, indem öfters mal eine größere Dusche auf den Gehweg schwappt und den einen oder anderen der Jungs erwischt. Einer von ihnen macht es sich völlig durchnässt auf meiner Motorhaube bequem. Ich erschrecke ihn mit der kräftigen Hupe. Der Arme. J 

Ich streife durch den gegenüberliegenden Souq, der eindeutig asiatisch dominiert wird. Die auch hier recht aufdringlichen Verkäufer wehre ich mit dem Zeigefinger vor und einem Psssssst! aus meinem Mund ab. Das verblüfft immer wieder den einen oder anderen. Ehrlich gesagt brauche ich von diesem teilweise üblen Touristentand nichts. Selbst die Krummdolche gefallen mir nicht, ist einfach nicht mein Style. Trotzdem suche ich ein paar Mitbringsel. Landestypisch. Weihrauch fällt mir ein. Ich kaufe ein paar kleine Dosen davon. Sicher nur Touristenverschnitt, denn das gute Zeugs sieht schon allein von der Färbung etwas anders aus und ist auch teurer. Egal, es riecht nach Weihrauch. Ich sehe nirgends Tabak für Wasserpfeifen, frage einen Asiaten danach. Wir wechseln die Seite des Souqs und kramen zusammen in ein paar Kisten herum, packen ein paar Sorten aus. Dann noch ein wenig handeln, das macht mir ja immer am meisten Spaß.

Irgendwann drifte ich in den Gold-Souq ab, das interessiert mich jedoch gleich gar nicht. Auch nicht der angrenzende Kleinkinderbekleidungs-Souq. Ich suche den Ausgang, setze mich in eines der wenigen Straßen-Cafe, denn es fängt wieder leicht zu regnen an. Nachdem ich noch ein paar interessante Schnappschüsse gemacht und gelesen habe, mach ich mich in das Regierungsviertel, ins eigentliche Muscat auf. Das geht ohne Stau nicht vonstatten. Irgendwann spült es mich direkt vor den Arbeitsplatz vom Sultan Qaboos. Also seinem Arbeitspalast. Der sieht wie wie der Eingang zu einem Vergnügungspark aus – sehr farbenfroh, getragen von vier pilzförmigen Säulen. Der Palast steht am Meer, drei Flakgeschütze sind auf die Meeresseite gerichtet, aber abgedeckt. Ich stehe auf der Seite der Festung Mirani, während das da gegenüber das Fort Jalali sein muss. Nett, ich habe es gesehen und cruise weiter durch den Regierungsbezirk. 

Ich fahre auf Verdacht ins Finanzministerium rein. Keiner stoppt mich, aber ich habe einen guten Parkplatz, um die andere noch prachtvollere Seite des „Disney“-Arbeitspalastes mir anzuschauen. Alles schön grün und bepflanzt hier. Ein paar Touristen schleppen sich in der Hitze über den großen Vorplatz, knipsen und verschwinden wieder. Da schließe ich mich an. Ich verlasse Muscat über Sidab, einem Vorort für Wohlbetuchte. Vermutlich werden hier die hohen Staatsbediensteten und die Elite des Landes wohnen. Die angrenzende Marina ist nicht besonders erwähnenswert. Einige einsam in der Landschaft wuchtig herumstehende Regierungsgebäude passierend komme ich wieder in „meinen“ Ortsteil Ruwi, genauer gesagt nach Wadi Kabir. Fast brauche ich meinen Navi-Marker nicht, aber auch nur fast.

Ich beschließe, heut mal schick essen zu gehen, mal keine Straßenkneipe, sondern was richtig Gutes, arabisch soll es aber schon sein. Mein Reiseführer meint, dass das www.kargeencaffe.com dafür recht gut taugen würde. Das beste arabische Restaurant in der Stadt. 18 km sagt meine NaviApp. Dann noch ein paar Leute fragen und schließlich stehe ich vor dem Kargeen, das erwartungsgemäß nicht leer ist, sondern gut besucht. Ein paar Edelkarossen stehen davor. Ich bevorzuge den Außenbereich. Staat arabischer Musik höre ich amerikanische Weihnachtslieder aus den 40er Jahren. Die mag ich zwar, aber nicht jetzt.

Einen Tisch bekomme ich nicht zugewiesen, also suche ich mir einen freien Sechsertisch aus. Das asiatische Personal hat man als Beduinen verkleidet. Die indischen Beduinen sind aber schwer beschäftigt und überlastet, rennen wie Hochleistungssportler hin und her, kommen aber nicht an meinen Tisch. Liegt es jetzt an meiner dunklen Kleidung und am spärlich illuminierten Tisch? Ich werfe mich zwei falschen Beduinen in den Weg, frage erst nach einer Karte, dann nach einer Möglichkeit zum Bestellen. Beides wird mir irgendwann gewährt. Arabisches Roulette spielend bestelle ich etwas, was mir völlig unbekannt ist und auch so klingt. Irgendwann kommt das dann tatsächlich an meinen Tisch – Fleisch und Chips in einer kalten Joghurtsoße vergraben, garniert mit Grantapfelmunition. Das schmeckt nicht schlecht.

Ich lasse meine Reise revue passieren und stelle fest, dass es eine verdammt gute Idee war, den Oman zu bereisen. Mir gefällt es hier. Unter Umständen könnte man irgendwann noch einmal herkommen, wenn die Reiseländer ausgehen. Dubai hingegen reicht vermutlich bis zu meinem Lebensende. 



Mutrah, gegenüber dem Hafen am Ende der Corniche Road
Mutrah Souq


Yoda vor dem Arbeitspalast vom Sultan


Des Sultans Garten-Flak...

Wappen des Sultans / Staatswappen

Arbeitspalast des Sultans (Landseite)

Marina bei Sidab

Das Kargeen







Sonntag, 22. Dezember 2013: Wüsten-Fotopirsch, Sandspiele und Regen…

Gegen 6 Uhr hört man die Beduinenkinder so, wie gestern Abend: leise kichernd und singend. Gegen 6:40 Uhr fährt der Pickup sie in die Schule. Früher gab es laut Wasur im ganzen Land nur EINE einzige Schule – in Muscat. Das bedeutete für Kinder ganz im Süden theoretisch einen 1000 km langen Schulweg. Heftig. Die Sonne will heute irgendwie nicht aufgehen. Ich verlasse das Gehöft/Lager und versuche mich an der nächsten etwa 20 m hohen Düne. Das ist jetzt nicht so einfach da hoch zu kommen. Vielleicht sollte ich die Sandalen ausziehen. Hat der Lawrence auch gemacht. Oben angekommen versperrt die nächste Düne den Blick auf die Wüste. Auch die erklimme ich noch. Und dann noch eine und schließlich kann ich in die Ferne schauen – ein grandioser Anblick! Leider ist gerade heute der Himmel verhangen, die Sonne steckt hinter Wolken, will nicht über der Wüste erscheinen, scheinen. Nur ein paar Strahlen dringen durch. Schade. Ich sitze im noch angenehm kalten Sand und warte und warte und warte… Es ist verdammt ruhig, aber nicht völlig lautlos. Nach einiger Zeit kreisen zwei Vögel über mir. Dabei krächzen sie sich was zu. Es sind allerdings keine Geier. Und noch sehe ich sehr lebendig aus! Den Grund sehe ich ein paar Meter weiter: ein totes Huhn. Vermutlich aus Wasurs Bestand. Seine Tiere lagern etwas außerhalb seines Gehöfts. Die Familie hat auch 7 Dromedare. Einen Ritt auf einem davon lehnte ich schon gestern ab, weil ich das für albernen Touri-Mist halte. Zudem auch noch grottenlangweilig.

Ich mache ein paar Effekt-heischende Videoaufnahmen mit FXGURU. Die Kulisse bietet sich einfach an. Erst lasse ich die drei Rentiere in der Wüste tanzen, dann den Sandriesen aus dem Sand auftauchen und dann noch eine Drohne was abwerfen und einen Hubschrauber abstürzen. Final erscheint ein Atompilz in der Ferne. J Was will man auch so lange machen, wenn die Sonne nicht zum Fotografieren heraus kommen mag? Ja richtig, in sich gehen, alles auf sich OM-artig wirken lassen, glücklich sein. Nebenbei kann ich aber trotzdem VideoClips rendern. J Irgendwann gebe ich auf, die gelbe Sau kommt nicht heraus. Ich kehre zurück und bekomme genau dasselbe zu essen wie gestern Abend. Den Kaffee heute jedoch nicht aus winzigen Schälchen, sondern einer winzigen Tasse. Wasur sitzt neben mir, seine Frau vor mir. Sie trägt so eine für den Oman typische Kopfverschleierung, die einer venezianischen Maske ähnelt. Man sieht die Augen, dann darunter wieder Stoff und dann am Mund wieder alles frei. Es gesellen sich noch die 2 großen Mädchen dazu. Infolgedessen sind nur die 3 großen Jungs in der Schule. Die kleine Fatma klebt sowieso immer an ihrer Mutter. Sele, der kleinste Junge kommt auch noch zappelig dazu. Und alle schauen sie zu, wie ich mir das Fladenbrot mit Joghurt bestreiche und in den Mund schiebe. Die Reste davon verfüttert Wasur an den Zappel-Sele.

Wasur fragt, ob ich Lust hätte, mit ihm und seinem Pickup eine Stunde lang durch die Dünen zu brettern. Natürlich nicht umsonst. Ich überlege hin und her und irgendwann sage ich einfach mal: Yes, we do it. Dann wird mir noch verschiedenes Kunsthandwerk angeboten, welches die Frauen des Hauses angefertigt haben. Ich brauche aber weder Schlüsselanhänger, Handyhüllen oder Miniteppiche und lehne dankend ab. Ich verabschiede mich von allen per Handschlag, wünsche ihnen alles Gute. Wir transportieren erst meine Sachen zu meinem Auto, das seltsamerweise noch aus dem Sand herausschaut, faktisch noch so dasteht, wie gestern Nacht verlassen. Dann lässt Wasur Luft aus seinen Reifen ab und es geht los. Erst einmal 20 m parallel zur Piste durch tiefen Sand. Vorbei an den Dromedar-Gehegen des Nachbarn. Dann erreichen wir ein richtiges Touristencamp. Es stellt sich heraus, dass es das ist, was ich letzte Nacht gesucht hatte. Wir fahren die Düne hoch, steigen aus und kehren beim Statthalter des Camps, einem sympathischen Mann um die 30 aus Bangladesch, ein. Wieder gibt es Kaffee und Datteln. Das Lager scheint komplett leer zu sein. Der Verwalter zeigt mir das Innenleben der schwarzen Zelte: meist stehen da Feldbetten mit kunterbunten Decken bestückt herum. Das erinnert mich an die Ferienlager meiner Kindheit, nur einen Tick exotischer, hier. Nach der kleinen Werbetour verabschieden wir uns und fahren weiter.

Jetzt lenkt Wasur seinen Pickup langsam hoch in die Dünen. Er ist ein verdammt geschickter Fahrer. Ich merke, dass man so etwas unbedingt erst einmal trainieren muss. Hier in der Nähe gibt es auch ein Camp, wo man das machen kann. Es macht Spaß über die Dünen zu surfen. Wenn man dann oben steht, es fast senkrecht herunter geht, denkt man: „Ach Du Ginsterkatze! Da runter?“ Wasur fragt beim ersten Mal, ob ich damit ein Problem habe. Ich sage ich hätte eins, wenn er da jetzt nicht runter fährt, was gleichzeitig bedeutet, dass ich ihm und seinen Fahrkünsten blind vertraue. Vier dieser Kamikaze-Abwärts-Fahrten sind drin, dann sind wir wieder fast unten. Wieder habe ich etwas zur Ernährung von Wasurs stattlicher Familie beigetragen, bereue die einstündige Spritztour aber keineswegs.

Zurück an meinem Auto fragt er mich, ob ich die 10 Meter bis zur Piste durch den tiefen Sand zurück schaffe. Da ich das gestern auch selbst herwärts geschafft habe, sage ich: No Problem. Kaum ist Wasur über die Düne verschwunden, bleibe ich pronto im Sand stecken, Ich bin viel zu zaghaft losgefahren. Herwärts hatte ich gestern noch den Schwung der halbwegs befestigten Piste gehabt. So ein Mist, ich will doch heute im Golf von Oman ein wenig herum plantschen! Ich laufe hoch zum Gehöft meiner Gastgeber. Die sind alle ausgeflogen. Nur eine asiatische Haushalthilfe ist da und die kann mir auch nicht helfen. Zurück am Auto versuche ich es erst mal mit dem Ausbuddeln der Räder. Immer rutscht wieder Sand nach. Dann packe ich ein paar Steine drunter.

Als ich gerade losfahren will, kommt ein Toyota Land Cruiser des Weges. Ein Omani und sein asiatischer Kuli sitzen drin. Der Araber steigt aus, buddelt mit mir zusammen noch ein wenig herum, setzt sich ins Auto und versucht es heraus zu fahren. Er bekommt es genauso wenig hin. Nach zwei weiteren Versuchen zückt er zwei Streichhölzer. Wie lassen auf den vorderen Rädern die Luft etwas ab. Aber auch damit gelingt die Befreiung meines Autos nicht. Der Mann verspricht in 10 min mit Hilfe zurück zu kommen. Ich buddele weiter, versuche es selbst noch einmal. In der Ferne fährt ein Pick-up vorbei, aber es ist nicht Wasur. Hier haben sie scheinbar alle die gleichen Toyota Pick-ups in Braun mit Verzierung. Ich sehe jetzt schon den vierten dieses Typs vorbeifahren. Dieser kommt aber herangeprescht, ein Araber steigt aus, von dem ich denke, dass ich ihn kenne. Der kam oft im TV. Bis sie ihn erschossen haben. Der Mann vor mir könnte mit Leichtigkeit jeden Osama bin Laden – Look-a-like-Wettbewerb gewinnen. Er lächelt, holt ein Seil hervor und gemeinsam befestigen wir es am Heck meines Autos.

Wenig später stehe ich wieder auf der Piste, danke dem guten Mann auf das Herzlichste und fahre zurück. Und oh Wunder, alles, was der Reiseführer beschrieb, findet sich bei Tage an: das wehrhafte Steinhaus eines hier in der Gegend einflussreichen Scheichs und gleich danach das beschriebene kleine Fort. Zehn Minuten später bin ich an der Tankstelle oben am Wüsten-Highway. Natürlich geht die Luftpumpe der Tankstelle nicht. Die Zapfsäulenbedienung schickt mich auf die gegenüber liegende Straßenseite. Hier gibt es eine kleine Reifenwerkstatt. Nach 10 Minuten kommt der Fachmann, ein Inder aus Kerala. Er findet auf Anhieb die Luftdrucktabelle an meinem nagelneuen KIA-Modell und prüft gleich noch die Hinterräder. Die 120 km bis Sur, welches am Golf von Oman liegt, fahre ich durch. Diese Stadt war einmal berühmt für ihre Dhau-Werften. In einer Bucht sehe ich zwei herum dümpeln. Die Stadt ist nichts Besonderes. 

Ich drehe wenig später ab in Richtung Muscat auf die Küstenautobahn. Ich möchte nach Ash Shab. Das hatte mir Schamal empfohlen. Allerdings ist der Himmel wolkenverhangen, es regnet immer wieder mal und die See ist ziemlich rau. Ich befürchte, da fliegt mir mein Zelt weg. In Ash Shab angekommen, finde ich nur den Zugang zum Wadi, der direkt unter der Autobahnbrücke liegt. Mit kleinen Motorbooten kann man sich da für 40 Cent übersetzten lassen und in den Wadi hineinwandern. Das hat er bestimmt nicht gemeint. Ich finde die Bucht aber nicht und es regnet schon wieder.

Ich stelle auch fest, dass heute ja schon Sonntag ist und ich da eigentlich in Muscat sein wollte, um die restlichen knapp zwei Tage die Hauptstadt und ihr Umfeld zu erkunden. Ich buche auf halber Strecke ein Hotel in Muscat via booking.com. Das gewählte Hotel bekomme ich dann auch noch für zwei Nächte zum Preis von einer Nacht. Das klingt gut, es liegt draußen in Ruwi, einem Ortsteil von Muscat. Ich finde es bloß nicht. Weder auf der Karte, noch in der NaviApp. Ich weiß nur den Viertelnamen, das Navi kann damit nichts anfangen. Ich frage mich durch, meist gerate ich an Inder. Da die aber immer helfen wollen, sagen sie dann auch meist irgendwas, nur um sich nicht die Blöße zu geben, das sie keinen blassen Schimmer von der Lage des Hotels haben. 

Also schickt mich der eine dahin, der andere voller Überzeugung in die Gegenrichtung. Irgendwann habe ich die Nase voll. Ich rufe das Hotel an, der Rezeptionist kann mir aber auch nicht helfen, weil er mit meiner Positionsangabe nichts anzufangen weiß. Ich mache jetzt Jagd auf frei herumlaufende Taxifahrer. Ich überzeuge einen, mich dahin zu lotsen. Er schafft es aber auch nicht, fragt zweimal bei mir nach. Schließlich rufe ich das Hotel erneut an und gebe dem Taxifahrer mein Smartphone. Der lässt sich instruieren, weiß jetzt wo es lang gehen muss. Nach 7 Minuten stehen wir endlich am Hotel! Fast 2,5 Stunden hat mich das gekostet. Aber so lernt man die Muscat’sche Rushhour und den Fahrstil der verschiedenen Nationalitäten kennen. Ich dachte zeitweise, das Auto wird doch noch verbeult. Todmüde checke ich ein und falle ins Bett.


Einfach nur wunderschön.

Lawrence? ;)

Dead Chicken...
 

Der Sandmann...

WüstenCamp

Die Sonne, die sich nicht traut...



Das leere TouristenCamp...


Wasur

KIA-Sandfräse


Sur

Sur


Wadi Ash Shab

Wadi Ash Shab




Der (weibliche) Widerstand von Wadi Ash Shab ?

Samstag, 21. Dezember 2013: Wie ich im Wadi Bani Khalid einen interessanten irakischen Backpacker traf und nachts bei einer Beduinenfamilie in der Wahiba-Wüste landete…

In diesen Breitengraden, wo es vor 10 Uhr am kühlsten ist, da würde ich diese Zeit auch für notwendige Arbeiten nutzen. ABER NICHT UM 7 UHR MIT EINEM PRESSLUFTHAMMER!  Beschwerden helfen nichts, aber extrem gezippte Ohropaxe in meinen Ohren. Zumindest ein wenig. Gerade heute wollte ich etwas länger schlafen. Zudem fehlt mir auch der rechte Antrieb aufzustehen. Ich habe vor Fernreisen NIE einen festen Plan, was ich im Reiseland machen oder sehen will. Maximal weiß ich grob über ein paar interessante Landstriche, Sehenswürdigkeiten, Flüsse oder mögliche kleine Miniabenteuer Bescheid. Konkret war das für den Oman eigentlich nur der Wadi Bani Khalid, an dessen Ausgang eine Oase mit immer vorhandenem Wasser und ein paar Naturpools liegt und der Tiermarkt in Nizwa. Also heute auf in diese Oase! Dachte ich mir und checkte langsam und behäbig aus dem kleinen Presslufthammer-Motel in Ibra aus. Da ich zum Frühstück nicht schon wieder Indisch essen wollte, suche ich mir einen WüstenKonsum und kaufe mir eine leckere Mango, zwei Bananen, ein paar Cookies und einen Liter Milch. Irgendwie ist der Oman genau wie ich voll auf dem Mango-Trip: Man bekommt hier eher Mango- als Orangensaft. Langsam droht aber der Mango-Overkill.

Bis zum Wadi sind es knapp 85 km. Irgendwo in der Einöde steht eine Tankstelle, zwei Coffee-Shops, zwei ATM, ein Schneider- und ein Barbierladen. Im Coffee-Shop lasse ich mir einen großen Pappbecher voll Kaffee brauen, denn ich bin immer noch müde. Wie überall im Lande scheinen Asiaten die ganze Arbeit zu erledigen. Meist Inder, Pakistani und sehr viele Leute aus Bangladesch. Hier hat sogar der einfache Wadi-Berg-Bewohner einen eigenen asiatischen Kuli für die schwere Arbeit. Ich denke das Land würde zusammenbrechen, wenn die Asiaten mal einen Aufstand für bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen machen würden. Von der Wertschätzung der Einheimischen ganz abgesehen. Ich habe oft erlebt, wie sie z.B. im Hotelgewerbe asiatische Arbeitnehmer zusammengefaltet wurden, obwohl sie die Arbeit meist besser beherrschten, als ihre omanischen Chefs, die vermutlich wie in Abu Dhabi oder Dubai manchmal nur für wenige Stunden anwesend sind. In dieser Einöde hier, vor dem Coffee-Shop meinen schwarzen Sud schlürfend, sehe ich gerade einen Omani in einem älteren Lexus vorfahren. Er steigt nicht etwa aus, wie die zwei Omanis vorhin. Nein, er hupt laut, bis die indische Bedienung zu ihm herauskommt und er seine Bestellung aufgibt. Leute gibt’s hier…

Ich steige in meinen koreanischen Straßenkreuzer ein und fahre nonstop die restlichen 600, nein 60 km durch. Um in das Wadi Bani Khalid zu kommen, muss man erst ein Stück in die Berge. Gottseidank gibt es hier eine Asphaltstraße, also keine Gefahr für mein Gefährt. Ich fahre bis zum Parkplatz vor dem Wadi. Einen richtigen Zugang gibt es nicht, man läuft am besten auf den Einfassungen eines Wasserkanals, der vom Wadi zum Dorf führt oder daneben. Heute ist auch noch Wochenende, also Einiges los. Arabische Familien und asiatische Gastarbeiter sind zahlreich vertreten, vereinzelt auch ein paar westliche Touristen. Alles in allem etwa so 60-70 Besucher. Im größten Naturpool gleich am Eingang hat man auf zwei Felsblöcken Unterstände gebaut, links gibt es ein kleines Restaurant. 

Das hier ist also schon ziemlich touristisch. Ich gehe auf die linke Seite, klettere einen Felsen herunter und lege meinen Fotoapparat in eine Felsspalte, gehe koscher mit Badehose und T-Shirt eine Runde im grünlichen Wasser mit Unmengen von kleinen Fischen zusammen schwimmen. Das Wasser ist sehr warm, ich hätte mit mehr Erfrischung gerechnet. Eine Brücke aus Eisen zwischen beiden Seiten des Pools bzw. Kanals muss einer der letzten Regenzeiten zum Opfer gefallen sein, wenn das Wasser brachial aus den Bergen den Wadi herunter donnert. Sie liegt wie von Riesenhand gefaltet an einer Seite des Kanals. Ich möchte in den Wadi ein Stück hinein wandern. Also zurück zum Auto, ein paar Sachen holen. Ich gehe dieses Mal rechts durch die Palmenhaine direkt auf einem dort verlaufenden anderen Bewässerungskanal, der an einigen einfachen Steinhäusern vorbeiführt. Ab und an ist der Kanal auf einer Seite unterbrochen, mit einem Stein verstopft. Damit werden dann vermutlich die überall herumstehenden Palmen gewässert.

In Höhe des Parkplatzes suche ich mir einen Weg durch die Palmen. Im Auto sitzend trinke ich einen Orangensaft auf Ex. Plötzlich tauchen drei kleine etwas verwahrloste Jungs vor der offenen Fahrertür auf und sagen Hallo. Keine Forderung. Sie sehen aber meinen kleinen geöffneten Kühlschrank (Handschuhfach) und die Getränke da drin. Ok, dann bekommen sie eben die „gesunde“ Segnung des Westens ab – meine einzige Pepsi. Hoffentlich vergiften sie sich nicht daran. ;) Der Größere von ihnen schnappt sich die Büchse, ich mache aber noch klar, dass sie sich die Ami-Limonade teilen sollen. Das machen sie auch gleich: es werden zwei gebrauchte Flaschen aus dem herumliegenden Abfall gegriffen und brüderlich umgefüllt. 

Die drei gehören zu den Müllsammlern, die die Oase um die besuchten Pools sauber halten sollen. Sie fahren mit kleinen Schubkarren durch die Gegend, in die sie dann den in Plastiktüten gesammelten Müll der Besucher ablegen und ins Dorf karren. Vermutlich eine gute Idee, ich hoffe nur es lohnt sich und sie müssen nicht den ganzen Tag schuften, können die Schule besuchen. Einige benutzen die Schubkarren auch als Pausen“sessel“. Zwei alte kleine Männer sah ich vorhin mit ihnen losziehen. Dem Kleinsten der drei Jungs vor mir läuft pausenlos die Nase. Ich spendiere ein Tempo-Taschentuch. Die Drei ziehen weiter, schauen neugierig in andere geparkte und verschlossene Autos hinein. Ein größerer arabischer Junge verjagt sie laut schreiend. Zu mir sagt er, das wäre „crazy boys“. Fand ich jetzt nicht.

Ich breche wieder auf in den Wadi. Die Sonne brennt jetzt so richtig schön heiß. Die oberen Naturpools sind zwar kleiner, aber mit einem Miniwasserfall in der Nähe auch schöner. Nur so besonders weit schwimmen kann man in ihnen nicht. Irgendwo weiter hinten soll es eine Höhle geben. Die Felswände links und rechts werden immer höher, die Besucher dafür immer weniger. Da fällt mir unterhalb meines Felsens ein verwegener Typ auf: er sieht aus wie eine Mischung aus Backpacker und „Mudschahedin“, auf jeden Fall sehr arabisch und er hat Ausstrahlung. Da ich meine Kamera in meinen Händen halte, dreht er sich um und sagt laut: „No photos!“ das hatte ich auch nicht unbedingt vor.

Nach einiger Zeit hole ich ihn ein, frage ob ich ihm behilflich sein kann, seinen Rucksack über den Bach zu wuchten, da er Schuhe trägt und ich Sandalen an habe. Nachdem wir das zusammen bewerkstelligt haben, stellen wir fest, dass wir auf einer Insel hocken. Wir stellen uns vor. Er ist wie ich aus Deutschland, kommt aber aus dem Irak und ist Kurde. Zudem ist er auch noch Künstler und schon einen Monat hier im Oman unterwegs. Wie mir gefällt ihm das Land ausnehmend gut, er ist allerdings auf öffentliche Verkehrsmittel oder Trampen angewiesen. Dafür kann er arabisch. Heute will er weiter hinten im Wadi übernachten. Ich finde ihn sehr sympathisch und unser mindestens eine Stunde währendes Gespräch hinten vor der kleinen unbeschilderten Höhle ist sehr erbaulich. Wir diskutieren über alles Mögliche, also Politik, Religion, Deutschland, Kunst und über das Menschsein und was es eigentlich ausmachen sollte. Schamal (sein Künstlername) wäre sicher eine richtig gute und angenehme Reisebegleitung für ein Stück des Weges durch den Oman für mich gewesen. Ich hätte ihn auch mitgenommen, aber er wollte hier im Wadi bleiben und ich abends die Wahiba-Wüste erreichen, um dort in einem Camp zu übernachten. Da er kaum noch omanisches Bargeld hat, gebe ich ihm meine letzten 25 OMR und er mir die entsprechenden Euros dafür. Ich komme ja sehr viel einfacher an einen ATM mit dem Auto heran, als er. Schamal ist die Sorte Mensch, die ich auf meinen Reisen gern kennenlernen möchte. Wir verabschieden uns und jeder zieht in eine andere Richtung des Wadis davon.

Nun wird es aber Zeit für mich, „ab in die Wüste“ zu fahren, wie es der Titel meines Blogs verheißt. Allerdings ist der ganze Oman eine Wüste, entweder aus Stein oder Sand. ;) Unterbrochen wird er von den Oasen, also den Städten und Dörfern. Eigentlich wollte ich in der Höhe von Al Qabil mir ein Wüsten-Camp suchen, das hieße aber wieder Richtung Ibra zurück zu fahren. Ich versuche es vorher in Al Mintirib. Da soll es 20 km auf einer Piste in die Wüste gehen und zwei Camps geben. Die kleine Stadt begrüßt mich mit geschäftigen Treiben vor und in den mit Neonreklame beleuchteten kleinen Geschäften, die meist Asiaten betreiben. Nach der Beschreibung des Reiseführers soll es ein wehrhaftes Steinhaus eines hier in der Gegend einflussreichen Scheichs geben und dahinter kommt ein kleines Fort. Dann links daran vorbei und irgendwo wenig später auf die Piste. All das finde ich nicht. Ich verfahre mich in der Dunkelheit, treffe auf keine hilfreichen Schilder und wenn sind die nur in Arabisch. Meine NaviApp befragen bringt in solchen Gegenden gleich garnichts, da schweigt es vornehm. Plötzlich stehen drei arabische Jungs vor meinem Auto, wollen, dass ich die Scheibe herunterkurbele. Mache ich nicht, sitze gerade über der Landkarte und dem Navi und habe keine Lust auf 0815-Konversation. Da reißt einer der Jungs, ein dicker arabischer Klops meine Tür auf und erzählt mir im aggressiven Unterton was vom Kamel.

Das kann ich auch. Ich werde etwas laut und fahre sie polternd auf Deutsch an. Dann mache ich noch zwei Ausfallschritte auf sie zu und sie rennen. Klappt fast immer, altes Rezept aus Reisezeiten in Mali. Meinem Ziel bin ich aber immer noch nicht näher. Ich cruise weiter durch den Ort, komme in ein anderes Dorf, lande in einer Sackgasse. Hinter mir stoppt ein Pickup. Ein Einheimischer fragt, ob ich was zum Schlafen suche. Er könne mir das bieten, nur 5 km von hier, bei sich zuhause. Er hat ein Camp. Ok, so etwas suche ich. Ich folge ihm. Wir fahren in die Wüste raus, biegen dann von der Schotterpiste ab in den Sand. Über 5 m Sand schaffe ich es noch, dann bleibt der Pickup dort auf einem festen Sandstück stehen, der Beduine steigt aus und sagt, ich solle in seinem Pickup umsteigen und mir die Unterkunft ansehen. Ok, ich weiß, das der Oman ein sehr sicheres Land ist, ich habe zur Not Pfefferspray und ein Walter-Messer dabei. Aber das ist sicher alles nicht notwendig. ;) In den Pickup kann ich leider nicht einsteigen, da sitzt des Beduinen Frau und Kind. Also hinten drauf auf die Ladefläche. Im Stehen am Dach mich festhaltend geht es mit viel Schwung die Düne hinauf (Film-reif), dann noch ein wenig weiter und wir bleiben vor dem Gehöft der Familie stehen. Hier gibt es sogar Strom, ein paar Hütten mit Palmenblättern verkleidet und abgedeckt, eine offene Küche, zwei Steinhäuser und eine kleine gemauerte Moschee. Der Beduine heißt Wasur, seine Frau Ningieh (wenn ich das richtig wiedergebe). Sie haben sieben Kinder – vier Jungen und drei Mädchen.

Schlafen soll ich in einem wohl für Gäste wie mich gemachten Unterstand, der etwa 10 x 4 Meter groß ist, ein Holzskelett besitzt und nach drei Seiten und von oben mit Palmenblättern verkleidet ist. Ausgelegt ist alles mit Teppichen, an den Wänden die typischen Kissen für den Rücken, wenn man auf dem Boden sitzt. Eine Seite ist offen, zumindest ein Drittel davon. Es stehen auch noch zwei alte Couches herum. Hier soll ich also schlafen. Ich nehme dann doch lieber meine bewährte Decke und meine Luftmatratze. Dazu fährt mich der größte Sohn sehr geschickt die Düne herunter zu meinem Auto und zurück. Ich lobe seine Fahrkünste. Wieder im Lager bekomme ich arabischen Kaffee und Datteln von Ningieh, der Frau des Hauses, äh der Zelte, des Gehöftes. Es ist schon dunkel. Wasur zündet vor meiner Unterkunft ein Feuer an, wir setzen uns in den Sand und versuchen uns in Konversation, was in Englisch halbwegs geht und trinken arabischen Kaffee und Tee. Jetzt kommen auch die restlichen Kinder, die der Vater mit dem Pickup aus Al Mintirib geholt hat.

Aiche (18) ist die Älteste, will Sprachen studieren und in die Tourismusbranche gehen. Verheiratet ist sie auch schon, sonst gibt es keinen Mann, also einen Freund haben wie bei uns ist nicht. Klar, wir sind hier in einem muslimischen Land, das dennoch fortschrittlich ist. Ihr Freund arbeitet in den Emiraten. Fatma, die Kleinste, vielleicht 3 Jahre ist total süß und ein ziemlicher Draufgänger (ärgert immer ihre Brüder). Der Name der dritten Tochter ist mir entfallen. Die Jungs heißen Mansur, Abdul, Sale und Mohamed. Sale ist der Kleinste, der größte ist vielleicht so 14 Jahre alt. Der Vater und zwei Kinder husten öfters. Wasur sagt, das wäre der Sand. Sale, der Kleinste, ärgert ebenfalls seine großen Brüder gerne, sie schmeißen ihn dann dafür auch öfters spielerisch in den Sand.


Mein Abendessen besteht aus: Fladenbrot aus dem Wüstenkonsum, 2 Eiern, Datteln, Joghurt und Tee. Ich schätze das alles wird wieder eine durchschlagende Wirkung haben. Gegen 10 Uhr ist Bettruhe, die Familie verschwindet in den verschiedenen Hütten. Man hört noch eine Zeitlang die Kinder reden, singen oder kichern. Ich höre danach eine ganze Zeitlang Mücken um mich herum sirren und frohlocken. Gegen Mitternacht wird mir das zu viel. Ich brauche mein NoBite-Mückenspray! Ich will die Familie nicht wecken, verlasse das Lager. Das Auto kann ja nicht so weit weg stehen. Die ungefähre Richtung denke ich zu wissen, laufe aber prompt in die Falsche davon. Nach einiger Zeit wird mir klar, dass ich mich verlaufen werde, ein Sandsturm mich begraben wird und die Beduinen sich Löffel aus meinen Gebeinen schnitzen werden, wenn sie mich Jahre später finden. J Ich kehre um, das Lager finde ich bestimmt wieder. Kurz davor probiere ich noch eine Wagenspur im Schein meiner Taschenlampe nach rechts aus – und finde weiter unten mein Auto! Schnell schnappe ich mir noch eine Literflasche Wasser und wanke diese halb austrinkend durch den tiefen Sand zurück ins Lager. Ich sprühe mich extrem großzügig mit dem Deet-haltigen Spray ein. Das Zeug stammt aus dem Vietnamkrieg und hat auch die aggressivsten Mücken in Westafrika vertrieben. Es übernimmt diesen Job auch hier zuverlässig und ich schlafe quasi unter freiem Himmel und in einer sternenklaren Nacht stichfrei ein.